Die Rentnerclique: 2. Die vergessene Statuette

Die vergessene Statuette        

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(von Joachim Größer)

 

Auch die schönste Reise geht einmal zu Ende und der Alttag hatte uns wieder. Nichts Aufregendes war auszumachen, nichts war da, was man hätte erkunden, auskundschaften oder beschatten können. Ich wurde in dem Skatklub aufgenommen, lernte auch eifrig, was ein Grand ouvert oder ein Null ouvert war und andere völlig unnütze Sachen. Für meine Mitspieler war ich eine totale Niete, und während die anderen Spieler mich mitleidsvoll anschauten, meinte mein Bruder doch, mein Platz wäre besser bei dem Tratsch-Verein. Dieser Tratsch-Verein war die Frauenrunde, die zur selben Zeit im Nebenraum tagte und alles Wichtige und noch mehr Unwichtiges durchhechelte.

Verbiestert probte ich den Aufstand gegen meinen älteren Bruder, indem ich seine Autorität bei seinen Freunden versuchte, anzukratzen.

„Na Bob, wenn ich noch an Opa denke, der dir das Spielen beigebracht hat, dann fällt mir ein Satz ein. Ging der Ausspruch nicht so: ‚Bob, wenn du dich nicht auf das Spiel konzentrierst, verspielst du noch deine Seele.‘ Und dann habe ich noch im Gedächtnis …“

Grinsend unterbrach mich mein Bruder: „Lass gut sein. Heute fasst du kein Blatt mehr an, dafür spielen wir beide zusammen. Einverstanden?“

Er blickte in die Runde und dankbar nickten die Männer.

So langsam lernte ich das Skatspiel, spielte es aber ohne jede Leidenschaft. Meine Frau Karla dagegen freute sich immer auf diesen Skatabend und sie entwickelte beim Reden die Leidenschaft, die mir zum Spielen fehlte.

Aber auch in dieser Skatrunde gab es genügend Möglichkeiten, sich über Allgemeines und Besonderes auszutauschen. Und immer wieder suchten wir nach einer Einsatzmöglichkeit für unser Detektivspiel. Die blödesten Ideen wurden kreiert. Da war noch die, dass wir das direkt professionell machen könnten, die beste. Doch zwei Argumente unseres Juristen machten diese Möglichkeit zunichte.

„Wollt ihr ein Gewerbe anmelden?“ und „Also ich jage keinem untreuen Ehemann hinterher. Wenn ihr das wollt – ohne mich!“

Nein – das wollten wir auch nicht. Aber unsere Frauen hatten dafür eine glorreiche Idee und schmissen damit meinen ersten Grand ouvert, welcher mich zum „König“ der Skatrunde, wenigstens für einen Moment, gemacht hätte.

Sie kamen – alle sechs - und lasen mitten in meinem schönsten Gewinnspiel eine kurze Zeitungsmeldung vor. Ärgerlich meinte ich, dass dies doch bestimmt noch zwei Minuten Zeit gehabt hätte. Doch alle sechs widersprachen aufs Heftigste.

„Das ist das, worauf wir so lange gewartet hatten!“ Diesem Argument konnte ich mich nicht widersetzen und schmiss meine Karten ärgerlich auf den Tisch. Der Kommentar meines lieben Bruders lautete dazu: „Was, du gibst das Spiel als verloren! Aus dir wird nie ein Skatspieler!“

Grinsend schrieb der Jurist mir einen Haufen „Miese“ an.

„Man gibt niemals ein Blatt aus der Hand“, bemerkte unser Oberlehrer in seiner typischen belehrenden Art.

„Man stört auch keine Skatrunde!“, erwiderte ich wütend und legte meine Stirn in Falten.

„Ach, hab dich nicht so!“, trällerte Hilda. „Das hier ist interessanter als jedes ‚Kranken-Spielen‘ oder wie das bei euch heißt.“

Das Interessante war, dass in den kleinen Dörfern der Umgebung bisher schon dreimal in Kirchen eingebrochen wurde. Gestohlen wurden Dinge, die weder kulturhistorisch noch materiell einen Wert darstellten. So wurden diese Einbrüche von der Polizei schnell als „Dummen-Jungen-Streiche“ abgetan.

Nicht so von unseren Frauen. Sie vermuteten nämlich, dass mehr dahinter stecken könnte. Was? Das wussten sie auch nicht, aber ihr weiblicher Instinkt sagte ihnen, dass …

„Und deswegen gebe ich mein Bombenspiel aus der Hand!“, knurrte ich nochmals.

„Ach, dein Spiel!“ Meine Frau versuchte, mich zu trösten. „Das ist doch das, worauf wir gewartet haben. Wir Frauen haben einen Plan und der ist perfekt!“

„So? Na da bin ich gespannt!“

„Also, wir werden alle Kirchen im Umkreis beschatten. Wir Frauen am Tage und ihr Männer in der Nacht. Ist das nicht perfekt?“

Zur Ehre der Männer muss ich hier verkünden, dass keiner laut lachte, sondern die Männer grinsten nur unverschämt. So jedenfalls interpretierte das die Hilda.

„Schlagt was Besseres vor!“, fauchte sie und stupste ihren Mann energisch.

„Vergesst das! Das ist eine Lappalie!“ Der Jurist argumentierte mit seinem Sachverstand. „Was glaubt ihr, wie oft solche Fälle in einem Jahr bei der Polizei landen. Wollten die Beamten all diesen Kleinigkeiten nachgehen, so müssten sie nur noch ‚Kriminalisten‘ spielen. Lohnt nicht! Das zahlt die Versicherung. Ist billiger!“

„Ist billiger! Zahlt die Versicherung!“, äffte Maxi ihren Mann nach. „Wir Frauen können diesen Fall auch ohne euch lösen. Stimmt’s, ihr Frauen?!“

„Stimmt!“, tönte es aus fünf entschlossenen Frauenkehlen. „Morgen fangen wie an!“ So sprachen sie und verschwanden im Nebenzimmer.

Das Skatspiel konnten wir jetzt vergessen. Wir diskutierten die Haltung unserer Frauen und einigten uns, dass wir sie ruhig machen lassen und erst, wenn es sich bewahrheitet, dass an diesen Serieneinbrüchen was dran ist, wollten wir einschreiten. So meinten wir.

Aber schon drei Tage später war wieder von drei Einbrüchen die Rede und wieder wurde nur wenig Wertvolles gestohlen. Allerdings fanden diese Einbrüche nicht am Tage, sondern in der Nacht statt. Und da die Frauen jetzt auch nachts auf Beobachtung gehen wollten, schalteten wir uns ein und einigten uns: Frauen beobachten am Tage und Männer des Nachts.

Damit hatten die Frauen – mal wieder – ihr Ziel erreicht und uns dort hingebracht, wo sie uns schon vor einigen Tagen haben wollten: Nachtwache vor einer Kirche.

Sechs Männer bedeutete sechs Kirchen überwachen – oder? Da das für den Einzelnen ziemlich langweilig war, einigten wir uns, zu zweit die Nachtwache zu schieben.

Die Einbrüche gingen weiter und natürlich wurde dort eingebrochen, wo wir nicht waren.

„Wir machen was verkehrt“, meinte unser Oberlehrer. „Wir ärgern uns über die unnützen Nachtwachen und bringen außer dem verlorenen Schlaf nichts zustande. Also ich für meinen Teil werde mich nur noch nachts vor die Kirche begeben, wenn es echte Anhaltspunkte für solch einen erneuten Einbruch gibt.

Inzwischen waren nämlich die Diebe recht aktiv gewesen und haben ihre Ziele bereits in anderen Landkreisen gesucht und gefunden. Nicht nur Kirchen wurden bestohlen, es gab auch kleine Diebstähle in unbedeutenden Museen und sogar aus einem Freilichtmuseum.

So fragten wir unseren „Besserwisser“, was er denn vorschlagen würde und er legte seinen „Schlachtplan“ dar: „Wir klappern alle Kirche, Museen u. dgl. ab und informieren uns über das Gestohlene. Wichtig wäre, den möglichen Wert und die Zeit herauszufinden, aus der das gestohlene Stück stammt. Nur so bekommen wir Systematik in unsere Detektivarbeit.“

Wir übertrugen dem Oberlehrer die Oberaufsicht und handelten nach seinem Vorschlag. Nach einer Woche hatten wir alle Tatorte abgeklappert und der Oberlehrer präsentierte uns seine Liste. Fest stand, reich wurden die Diebe mit ihrer Beute nicht. Auch eine bestimmte Zeit, aus der diese kleinen Kunstgegenstände stammen, konnte unser Oberlehrer nicht erkennen.

„Freunde, ich bin jetzt mit meinem ‚Latein‘ am Ende!“

Und das rief unsere Frauen mal wieder auf den Plan. „Wer braucht solch Zeug?“, fragte Martina, die Frau unseres Chemikers. Sie schaute sich um. „Eigentlich keiner! Stimmt doch! Und wo kann man solch Zeug trotzdem kaufen? Na?“

„Trödelmarkt!“, schrie meine Karla.

„Genau, da bessern sich einige ihr Taschengeld auf!“ Martina war in Ihrer Logik unschlagbar. Und schon hatten die Frauen einen neuen Einsatzbefehl für uns: Flohmärkte.

Die Liste unseres Oberlehrers wurde vervielfacht, jeder bekam sie in die Hand gedrückt und ab ging es zum nächsten Flohmarkt.

Ich habe noch nie gewusst, wie viele solcher Flohmärkte es in unserer Umgebung gab: Plätze, Hallen, Garagen, ja selbst sogenannte Schulbasare klapperten wir ab. Und was unsere lieben Frauen alles von diesen Märkten mitbrachten?! Man konnte nur staunen, wie viel Unnützes es doch auf dieser Welt gibt. Aber einen Gegenstand brachte Martinas Mann, der Chemiker, mit, der sofort das Interesse aller weckte. Wir hatten ein Stück erworben, welches garantiert aus einem Einbruch stammte. Nun starteten wir zu der Kirche, aus der das „Gute Stück“ stammen sollte. Und? Volltreffer! Wir waren die Größten!

So jedenfalls meinten das unsere lieben Frauen. Wollten sie doch auch weiterhin, natürlich nur gemeinsam mit uns, die Flohmärkte abklappern!

Doch jetzt streikten alle Männer und diese Streikfront war unerschütterlich. Kein Argument unserer Frauen konnte einen von den Streikenden berühren. „Nie wieder Flohmärkte!“ Diese Losung gaben wir aus und danach handelten wir.

„Gut“, meinte Maxi. Sie erbat sich von ihrem Mann das Portemonnaie, entnahm alle Scheine und gab ihrem Mann die leere Börse zurück. Da bekam der Jurist seinen Mund nicht mehr zu. „Maxi!“, stöhnte er. „Davon wollte ich mir zwei neue Züge kaufen!“

Unser Jurist war nämlich ein Freund der Miniatureisenbahn, und wenn ihn seine Frau, die Maxi, ärgern wollte, dann gelang es ihr am bestens, wenn sie seine Eisenbahn „angriff“.

„Macht ihr eures – wir machen unseres! Kommt Frauen, wir müssen den Fall doch alleine lösen!“

Der Jurist war 500 € losgeworden, wir alle Frauen – und wir alle machten dumme Gesichter.

„Nee, so leicht geben wir den Frauen nicht nach. Sie wollen einen Wettkampf?! Sie können ihn haben! Männer, wir werden die Frauen in die Knie zwingen – aber ohne Flohmarkt!“ Mein Bruder Bob sprach diese heroischen Worte. „Macht Vorschläge, wie wir vorgehen wollen!“

Leicht gesagt – war das von meinem lieben Bruder. Aber sofort meldete sich der Oberlehrer: „Männer, was wollen wir überhaupt? Wollen wir echte Detektivarbeit machen oder suchen wir nur unseren Zeitvertreib?“

„Gute Frage, Oberlehrer. Gib du uns gleich die Antwort!“ Ich mischte mich in die Diskussion ein. Und der Oberlehrer konterte: „Echte Detektivarbeit sucht nach Motiven der kriminellen Handlung. Stimmt das, Jurist?“

„Ja, stimmt schon. Nur wir sind doch keine ausgebildeten Kriminalisten.“

„Na, bist du nun Jurist oder nicht?!“

„Mann, ich war Scheidungsanwalt. Das war mein Spezialgebiet. Straftaten? Das war nie mein Ding!“

Der Techniker gab jetzt auch noch seinen Senf zum Besten: „Also mal schön langsam! Wir alle können logisch denken! Wir alle haben ein berufliches Spezialgebiet und jeder von uns hat ein Hobby, in dem er auch gut ist. Wenn wir unseren Verstand gebrauchen, können wir auch diese kleine Diebesbande fangen. Und dann haben wir unsere Frauen wieder klitzeklein und haben unsere Ruhe vor Flohmärkten und anderen Menschenaufläufen.“

„Genau, wir brauchen wirklich ein Konzept, eine Marschrichtung, ich meine einen Plan für unser Vorgehen!“ Der Chemiker nickte zu Bobs Worten.

„He, wer hatte früher mit Plänen zu tun?!“ Der Jurist feixte. Alle zeigten auf den Oberlehrer und der Techniker sprach es aus: „Du hast mit Lehrplänen gearbeitet. Du bist unser Oberplaner! Und nun streng dein Köpfchen mal etwas an, Oberlehrer! Einverstanden Männer?“

Er blickte in die Runde und stellte grinsend fest: „Einstimmig beschlossen: Oberlehrer, du bist unser Boss!“

„Einverstanden, Männer!“ Der Oberlehrer revanchierte sich. „Ich mach den Boss und jeder von euch tanzt nach meiner Pfeife. Wer muckt, muss in die Ecke! Das sind meine Bedingungen!“

Also die Ecke (Ich habe da schon einige Zeit gebraucht, um herauszufinden, was die Ecke bedeutet.) - also die „Ecke“ ist die Ecke, in der das Sparschwein steht und der, welcher eine „Sünde“ begangen hatte, muss einen Obolus, je nach Art und Größe der „Sünde“, dort hineinversenken. Am Jahresende wird das Schwein „geschlachtet“ und die Silvesterparty damit bezahlt.

Und der Oberlehrer wartete gar nicht erst die Zustimmung seiner Skatbrüder ab, sondern verteilte gleich die Arbeit und er ging dabei recht methodisch und logisch vor. Jeder erhielt seine Aufgabe: Bob musste überprüfen, ob bei den Einbrüchen ein Zeitmuster erkennbar ist. Der Techniker sollte nochmals die Kirchen und Museen abklappern und feststellen, wie eingebrochen wurde. Der Chemiker musste sich mit kriminaltechnischen Fragen beschäftigen und sollte, wenn erforderlich, in seinem kleinen Privatlabor im Keller mögliche Labor-Untersuchungen durchführen. Der Jurist musste den Kontakt mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft pflegen und denen, wenn es notwendig war, auf „den Geist“ gehen. Mir übertrug der Oberlehrer die Aufgabe, nach möglichen Motiven für die Einbrüche zu forschen. Und unser Oberlehrer selbst behielt sich vor, seinen Geist „sprühen“ zu lassen.

Mit diesem Plan wollten wir also unsere ärgsten Gegner schlagen – und das waren im Moment unsere lieben Frauen.

Und mit denen sprachen wir kein Wort über unsere Vorhaben.

„Ha“, meinte der Techniker, „mal sehen, wann meine Hilda angeschmust kommt. Ich garantiere, länger als drei Tage hält sie das nicht aus.“

Doch die Frauen hielten das sogar noch viel länger aus. Zu Hause wurde nur über Belangloses geredet. Die Worte „Einbruch“ oder „Diebe“ waren verpönt.

So verging die erste Woche, dann die zweite und dann kam der Durchbruch. Wieder war ein Einbruch gemeldet worden und wieder nur wurde völlig wertloses Zeug aus einer Kirche entwendet. Der Redakteur der Lokalzeitung spottete in seinem kleinen Artikel: „Die Diebe klauen, aber das wirklich Wertvolle, eine Madonna-Statuette aus der Renaissance-Zeit, vergessen sie.“

Jetzt läuteten bei mir die „Alarmglocken“. Was wäre, wenn die Diebe es auf das wirklich Wertvolle abgesehen hätten, und sie benutzen die kleinen Diebstähle nur, um vom eigentlichen Raub abzulenken – die Statuette.

Ich sprach darüber bei unserer nächsten „Lagebesprechung“. Bob erklärte mich kurzerhand zum geistig Umnachteten. Sein Argument: Die Statuette steht!

Ja, eigentlich stand ich allein mit dieser Theorie. Nur der Oberlehrer half mir mit der Vermutung, dass dann die vielen kleinen Einbrüche wirklich Sinn machen würden.

Und da er zum Boss bestimmt worden war, diktierte er jetzt: „Bob, du nimmst alles von wegen geistiger Umnachtung und so zurück und zahlt 50 € in die Ecke, wenn der Fred recht hat. Jurist, du gehst mit dem Techniker und dem Chemiker in diese Kirche. Nehmt Bob mit und achtet drauf, dass er nicht wieder dummes Zeug quatscht. Ihr quetscht den Pastor oder Küster, oder wer immer dort für die Kirche zuständig ist, aus und betrachtet diese wertvolle Holzschnitzarbeit, wenn es sein muss, mit der Lupe. Fred und ich erledigen die geistig höher anstehenden Aufgaben. Alles klar?“

Also klar war mir nicht, was der Oberlehrer mit geistig höher anstehenden Aufgaben meinte. Er sah wohl meinen fragenden Blick und antwortete feixend: „Fußarbeit für das Fußvolk! Wir sind Kopfarbeiter! Folge mir zum Computer und dann fahren wir zu einem Bildhauer. Klar Fred?“

Die Kopfarbeit brachte, dass die Statuette durchaus ausgetauscht werden konnte, ohne dass sofort jemand den Diebstahl bemerken würde. Auch eine ordentliche Kopie wäre von einem versierten Holzschnitzer nach Vorlage möglich. Und der Bildhauer erklärte uns sogar, dass schon vor längerer Zeit es eine Anfrage gab, ob er nicht eine Madonna mit Kind für einen Hausaltar schnitzen könnte. Doch er hatte abgelehnt. Zwar arbeite er ab und zu auch mit Holz, aber sein Werkstoff sei eigentlich doch der Stein.

Und auch die Vier des Fußvolkes brachten gute Nachricht. Die Statuette steht zwar, aber nach Meinung des Technikers und des Chemikers ist sie falsch. Der Küster gab bereitwillig Auskunft und betonte mehrfach, wie heilfroh nicht nur er wäre, dass der „Schatz“ der kleinen Kirche wohlbehütet in ihrer Dorfkirche immer noch stehen würde. Und dafür dankte er sogleich seinem Gott mit einem kurzen Gebet.

Während der Jurist und Bob mit dem Küster lang und breit sich über die Diebstähle und die kostbare Statuette ausließen, untersuchten der Chemiker und der Techniker die Statuette – auch mit der Lupe.

„Der Fred hat recht, die Statuette ist falsch. Hier – siehst du den Tropfen? Und wenn mich meine Nase nicht täuscht, rieche ich immer noch Farbe. Chemiker, riecht eine 500 Jahre alte Farbe noch?“

Statt einer Antwort murmelte der Chemiker: „Steh Schmiere! Ich nehme diese kleine Farbnase für mein Labor! Kann ich?“

Und er zupfte mit der Pinzette eine kleine Farbblase ab und tütete sie ein Stück Papier-Taschentuch.

Als er dann noch am selben Abend das Ergebnis verkündete, war ich der Größte. Mein Bruder Bob kürte mich zum großen Denker und er wurde zum kleinen Schenker: 50 € steckten jetzt mehr im Sparschwein.

Am nächsten Tag sollte der Jurist die Staatsanwaltschaft über den Austausch der Statuette benachrichtigen und eine amtliche Untersuchung veranlassen. Und wir wollten uns um die möglichen Diebe kümmern.

Aber das war mal wieder eine Aufgabe, wo wir nicht weiter kamen. Nicht so unsere lieben Frauen. Sie erhielten zwar keinerlei Informationen über unsere Ergebnisse – die wollten wir erst verkünden, wenn wir die Diebe oder den Hehler erwischt hätten. Aber wir haben ja kluge Frauen, ich muss sagen: sehr kluge! Sie kennen unsere Macken besser, als wir sie selbst kennen. Und Hilda kannte eine dieser Macken ihres Mannes. Schon immer sprach unser Techniker im Schlaf und Hilda konnte in den vielen Ehejahren ausprobieren, ob ihr Mann im Schlaf - oder Halbschlaf – auch Fragen beantwortet.

Da die Frauen trotz unserer Geheimhaltung mit ihren weiblichen Sensoren mitbekamen, dass irgendetwas „im Busche“ war, setzte Hilda ihre Geheimwaffe ein. Und unser Techniker gab bereitwillig zwischen etlichen Schnarchern unser Wissen preis.

Als wir später davon erfuhren, konnten wir uns lebhaft vorstellen, wie sie gejubelt haben, als Hilda ihnen dieses berichtete.

Jetzt entwickelten sie einen Plan, wie sie an die echte Statuette gelangen könnten. Und natürlich spielten ihre geliebten Flohmärkte wieder eine entscheidende Rolle. Sie tarnten sich, als nach Kunst suchende Käufer, die auch Jagd auf Ausgefallenes machten. Und Hilda schoss mal wieder den Vogel ab und traf. Sie beschwatzte einen jungen Bengel so, dass der ihr abnahm, sie sei Innenarchitektin und auf der Suche nach einer etwa 50 cm hohen Madonna-Statuette. Geld spiele da keine Rolle, meinte sie, denn der Auftraggeber sei Millionär und sehr freizügig.

Der junge Mann gab ihr eine Adresse und sofort fuhr man die 20 km zu diesem Kunsthändler. Nur, dass ein Kunsthändler seine Ware im Hinterhof anbietet, war schon etwas seltsam. Noch seltsamer war, dass der Mann mit diesen unsteten Augen Vorkasse haben wollte, ehe er ein großes Kunstwerk verkaufen wolle. Aber da kannte er Hilda schlecht. Wer es schafft, einem Mann im Schlaf sein Geheimnis zu entlocken, der schafft es auch, einen Hehler zu bezirzen. So konnten die beiden Frauen, die hier als Käufer auftraten, einen Blick auf die Statuette werfen. Aber sofort wollte der Mann die Statuette wieder verhüllen. Nur da hatte meine Karla, sie war die zweite Frau, schon ein Bild mit meiner Kamera geschossen. Heftig protestierte der Mann, doch Hilda beschwichtigte ihn: „Mann, nun haben Sie sich mal nicht. Für das viele Geld will mein Kunde schon sehen, was er kaufen kann. Morgen kommen wir mit dem Scheck, mein Herr!“

„Kein Scheck! Ich verkaufe nur gegen Bargeld! Oder gar nicht! Hab es nicht nötig, den Käufern hinterherzurennen, wenn der Scheck nicht gedeckt ist!“

„Gut, gut! Wir bringen Bares. Nur da müssen unsere Männer mit. Mit soviel Geld in der Tasche habe ich Angst vor einem Überfall! Sie sind doch damit einverstanden, mein Herr!“ Hilda konnte, wenn sie wollte, richtig nett und zuvorkommend sein. Und sie überzeugte. „Wenn es sein muss!“, knurrte der Händler.

Jetzt mussten die Frauen uns nur verklickern, wie sie es geschafft haben, die echte Statuette zu finden – ohne, dass sie wussten, dass eine falsche in der Dorfkirche steht.

Sagt man nicht, Frauen sind die besseren Diplomaten? Unsere sind es garantiert. Sie baten uns zu Kaffee und Kuchen und Hilda beichtete: „Ich muss bekennen, dass wir euer Wissen benutzt haben! Nur, wenn mein lieber Mann mir im Schlaf eure Geheimnisse ausplaudert, so muss ich doch zuhören – oder?“

Ja – so erfuhren wir, wo die echte Statuette sich befindet. Wir schlossen „Frieden“ und unser Jurist stellte salomonisch fest, dass beide Gruppen beste Detektivarbeit geleistet hätten. Nur als Hilda wollte, dass zwei der Männer sie und meine Karla morgen zum Hehler begleiten sollten, da beendete der Jurist die Diskussion mit der sehr ernst gemeinten Bemerkung: „Das ist jetzt die Aufgabe für die Leute, die dafür ausgebildet sind und dafür bezahlt werden!“

So wären wir doch noch um unsere Festnahme gekommen. Wäre da nicht der ältere Kommissar gewesen, den die Hilda so beschwatzte, dass er meinte: „Ja, ich glaube, Sie haben recht. Der Hehler könnte sonst misstrauisch werden. Sie mimen die Käuferin und mein Kollege und ich, wir spielen die Geldträger.

Doch jetzt bestand meine Karla auch darauf, an der Verhaftung teilzunehmen. Und wenn Frauen sich etwas in den Kopf setzen, dann …

Trotzdem fuhren wir alle am nächsten Tag mit zu diesem Treff. Alles verlief so, wie es die Beamten geplant hatten, nur, dass der Hehler seine Waren im Stich ließ und versuchte, durch die Hintertür zu entkommen. Doch dort standen der Techniker, Bob und der Chemiker und grinsten zufrieden über diesen „Fang“.

Zufrieden waren auch die Kirchenleute, als sie ihre echte Madonna wieder hatten. Das Dankgebet, welches sie gen Himmel richteten, war lang und ehrlich gemeint.

Zufrieden war auch die Versicherung, bei der die Statuette für 50.000 € versichert war. Ihr Vertreter überreichte uns einen Scheck, den unsere Rentnerclique gern entgegennahm. Und unsere Frauen wussten auch sofort, wie man das Geld anlegen könnte. Hatten sie doch von einer Veranstaltung gelesen, wo Hobby-Kriminalisten sich zum „Mörderspiel“ zusammenfinden.

Ach ja, noch etwas: Der Redakteur, der uns mit seinem Artikel über die vergessene Statuette erst auf die richtige Spur gebracht hatte, erhielt von uns ein Dankschreiben, mit der er garantiert nichts anfangen konnte.

 

3. Episode "Das Mörderspiel" - HIER!