Die Odenwald-Saga

                           Der Odenwald im Frühling/Sommer

Kennen Sie noch das Lied vom Baum im Odenwald?

Bitte beachten Sie!

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Sie dürfen meine "Odenwaldsaga" kopieren und für den privaten Gebrauch nutzen. Änderungen dürfen nicht vorgenommen werden. Eine Vervielfältigung und Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf immer meiner schriftlichen Zustimmung.

Die Odenwald-Saga

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von  Joachim Größer (2016)

 

Klingt das nicht gewaltig: „Odenwald-Saga“?! Sofort fällt mir die Sammlung der altnordischen Erzählungen ein – die Island-Sagas. Nun  -  damit möchte ich mein zu Schreibendes nicht messen. Brauch ich auch nicht, denn „Saga“ ist laut Duden eine Prosaerzählung und Prosa ist ebenfalls laut Duden: „die; - <lat.> (Rede [Schrift] in ungebundener Form; übertr. für Nüchternheit) „

Und wenn ich den Duden mal übersetzen soll, so kann ich schreiben, wie ich will, bin an keine „literarischen Regeln“ gehalten. Ich kann also, wie der Odenwälder sagen würde, schwätzen. Und „Schwätzen“ ist im Odenwald, den rheinfränkischen Dialekt zu sprechen, den die Sprachforscher kurz und knapp als das „Odenwälderische“ bezeichnen.

Wie ich das Odenwälderische verstehe, erzähle ich gern:

Arztbesuch war angesagt; im Wartezimmer war ich allein. Nun kommt ein alter Mann (ich war damals noch 15 Jahre jünger!) und setzte sich zu mir. Da es langweilig ist, nur zu warten, begann mein Nachbar ein Gespräch, das ich jetzt wiedergebe:

Er: „- - - - - - - - - - - - - -„

Ich: „Ja“

Er: „- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -- - -- - „

Ich: „Jaaa?!“

Er: „- - - - - - - - - - - - - - -- - - - --  - - -- - - - -- -- - - - - --„

Ich: „Ja!“

Ich hatte nichts verstanden und mein letztes „Ja!“ passte wohl nicht so recht als Antwort, denn der alte Odenwälder kniff seine putzmunteren Äuglein zusammen und …

„Herr Größer bitte!“ Erlöst! Mein Arzt rief mich!

Das war der echte odenwälderische Dialekt, den zwar kaum noch jemand spricht, aber schade wäre es, wenn er für immer verschwände. Für die Alten ist ihr Odenwälderisch gesprochene Heimat. Und was Heimat ist, erklärte mir ein 5-jähriger so: „Das ist mein Ur-, Urgroßvater!“ Er zeigte auf das Straßenschild und tönte stolz: „Er war Bürgermeister!“

Die Odenwälder verewigen ihre ehemaligen erfolgreichen Bürgermeister, indem man Straßen und Gassen nach ihnen benennt. Und da der Odenwald ja ein Waldgebirge ist, und der Wald behütet werden muss, so zieren heute viele alte Bäume Namensschilder, auf denen dann der Name des Försters zu lesen ist. Interessant ist auch, nicht nur Straßen- oder Baumschilder zu beachten, sondern auch auf alten Friedhöfen „zu lesen“. Vergleicht man die Namen mit alten Dorfchroniken, so wird man schnell feststellen, dass so mancher Familienname schon im 15. oder 16. Jahrhundert erscheint. Für diese Familien ist der Odenwald bis heute echte Heimat. 

Und da man seine Heimat kennen sollte, so „schwätze“ ich jetzt natürlich auf Hochdeutsch, denn 15 Jahre im Odenwald zu leben, machen noch keinen Odenwälder.

 

1.      Wie der Odenwald entstand

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Kennen Sie „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann? Da ist mir u.a. ein Physik-Lehrer in Erinnerung geblieben, der seinen Schülern die „Dampfmaschin“ erklärt. „Da stellen wir uns ganz dumm“, sprach da der Lehrer und redete von zwei Löchern und anderen Gegebenheiten. Seinen Schülern war die „Dampfmaschin“ egal, interessanter waren die Löcher in des Herrn Lehrers Socken und die hübschen Mädchens der benachbarten Mädchenschule. Und wenn Ihnen jetzt mein geologischer Abriss der Odenwald-Entstehung auch schietegal ist, so … so könnten Sie die Zeit mit etwas Nützlicherem verbringen: z. B. mit Frau/Mann schäkern, Strafpredigt für Teenagertochter gedanklich vorbereiten oder auch nur auf dem Sofa faulenzen.

Und wenn Sie faulenzen, darf ich auch faul sein und nehme die Erklärung aus meinem „Kleinen Exkursionsführer“:

 

„Wir müssen zurückgehen in eine Zeit, die die Geologen Paläozoikum (Erdaltzeit) nennen. Über riesige Zeiträume bildeten sich die ältesten Gesteine des Odenwaldes. Ablagerungen der Meere und des Festlandes sowie erstarrte Gesteinsschmelzen aus dem Inneren der Erde wurden erneut aufgeschmolzen. Im Gebiet der „Böllsteiner Kuppel” sind die ältesten Steine des Odenwaldes, der Böllsteiner Gneis, zu finden (ca. 400 Millionen Jahre alt). Dieser Teil des Odenwaldes wird als Böllsteiner Odenwald bezeichnet.

Vor ca. 380 Millionen Jahren kam es im Gebiet des heutigen Mitteleuropas zu der sogenannten Variszischen Gebirgsbildung – auch Variskische Gebirgsbildung genannt. Dieses Gebirge wurde durch erdinnere Kräfte aufgefaltet (Faltengebirge) und soll nach Meinung der Geologen fast 3.000 m hoch gewesen sein. Ursache für solche Gebirgsbildungen waren Kontinentalverschiebungen. So drifteten Terrane (Krustenblöcke – kleine Kontinente) und große Inseln aufeinander. Bei diesem Zusammenstoßen tauchten 1. die Gesteine nach unten ab (15 -18 km tief) und wurden im Magma aufgeschmolzen und wurden 2. zusammen mit dem Magmagestein langsam wieder an die Erdkruste gedrückt. Über einen riesigen Zeitraum von über 60 Millionen Jahren dauerten diese Vorgänge an. Die Geologen gehen davon aus, dass Bergsträßer und Böllsteiner Odenwald unterschiedlichen Terranen oder Inseln entstammen. Sie verschmolzen und wurden Teil das Variszischen Gebirges. Es reichte von Mittelfrankreich über Südwest- und Mitteldeutschland bis nach Südpolen und Böhmen.“

 

Verdanken tun wir diese Erkenntnisse letztendlich dem Polarforscher, Physiker, Meteorologen und Universalwissenschaftler Alfred Wegener. Leider konnte er nicht zu Lebzeiten Anerkennung für seine bahnbrechende Theorie über die Kontinentaldrift erhalten. Führende Geologen der damaligen Zeit verspotteten ihn für seine Erkenntnisse. Aber die Wahrheit setzt sich immer durch!

Und wenn Ihnen der kleine Exkurs doch nicht ausreichend ist und Sie mehr über Bruchschollengebirge und Grabenbruch, über Basalt und Rhyolith, über „Katzenbuckel“ und „Tromm“ erfahren wollen – Sie wissen doch: meinen „Kleinen Exkursionsführer“ lesen!

 

2.      Wie sich der Odenwald heute zeigt

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Einfach schön! Der Odenwald ist zwar nur ein Mittelgebirge mit durchschnittlichen Höhen von 200 bis 600 m, aber er hat tiefe Täler und Ausblicke, die einfach herrlich sind. Besonders im Frühjahr, wenn neues Gras sprießt, möchte man das alte Kinderlied singen:

 

Zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal

saßen einst zwei Hasen,

   fraßen ab das grüne, grüne Gras

   fraßen ab das grüne, grüne Gras

   bis auf den Rasen.

 

Als sie sich nun satt gefressen hatt'n

setzten sie sich nieder.

   Bis dass der Jäger, Jäger kam,

   bis dass der Jäger, Jäger kam,

   und schoss sie nieder.

 

Als sie sich nun aufgerappelt hatt'n

und sich besannen,

   dass sie noch am Leben, Leben war'n

   dass sie noch am Leben, Leben war'n

   liefen sie von dannen.

 

Übrigens – die Melodie soll aus Hessen stammen. Scheuen Sie sich nicht, beim sonntäglichen Spazierenfahren das Liedlein aus voller Kehle und voller Inbrunst in die Frühlingswelt zu schmettern. Sie tun damit garantiert etwas zum Erhalt heimatlicher Kultur und die darf nicht in Vergessenheit geraten!

Wenn Sie allerdings ein Jägerlein sind, so werden Sie es schwer haben, einen Hasen zu sehen, geschweige denn zu schießen. Die sind heute so selten geworden wie der Hamster oder die bunten Schmetterlinge. Auch wenn man heute uneingeschränkt anerkennen muss, es wird viel getan für die Umwelt, für eine intakte Natur, im Vergleich zu früheren Jahren ist der Verlust an Tieren und Pflanzen nicht hinzunehmen.

Sehr positiv ist zu vermelden, dass Wildkatze, Uhu, Wanderfalke und Kolkrabe wieder heimisch sind  im großen Odenwald. Der Biber ist im Odenwaldkreis angekommem, Luchsspuren sind eindeutig als solche begutachtet worden und vielleicht streicht auch schon ein heimlicher Wolf durch das große Waldgebirge.

Und zum Thema Wolf möchte ich Ihnen eine Anekdote erzählen:

Da wandern eine Frau und ein Mann im Herbst anno 2015 durch den herrlichen Odenwald. Plötzlich flüstert die Frau: „Hast du ihn gesehen?“

„Wen?“, fragt der Mann.

„Na den Wolf!“

Auf den ungläubigen Blick ihres Mannes erwidert die Frau: „Er war es! Höchstwahrscheinlich! Vielleicht?“

Sie zeigt auf eine kleine Lichtung, keine 80 m vom Weg entfernt. „Ich habe deutlich sein Hinterteil und den Schwanz gesehen. Er war sofort weg.“

In den nächsten Tagen wurden alle Wölfe „begutachtet“, das Internet durchforstet, Tierfilme angeschaut. Immer und immer wieder kam die Frage des Mannes: „Sah er so aus?“ Und immer wieder bekam er die Antwort: „Bestimmt – oder?“

Der Mann entschloss sich, dem NABU die mögliche Wolfssichtung zu melden, denn bei diesem Verein gibt es sogar eine Meldestelle für Wolfssichtungen. Aber bisher wurde noch kein Wolf im großen schönen Odenwald gesehen. So steht weiterhin die Frage: War er’s oder war er es nicht?! Und wenn Sie wissen, dass dies meine Frau war, die den Wolf gesehen haben will, dann wissen Sie auch, wer der Mann ist, der zu seiner Frau sagte: „Du weißt doch, die Alpha-Tieren verjagen die jungen Wölfe und die können in einer Nacht 70 km weit laufen. Und warum soll das nicht der erste Odenwälder Wolf gewesen sein. In der Pfalz wurde doch auch schon, und das nachweislich, ein Wolf gesichtet!“

(Update: Seit dem Spätsommer 2017 ist es amtlich! Der Wolf ist im Gebiet Waldmichelbach gesehen und fotografiert worden. Der Wolf ist nach 150 Jahren wieder im Odenwald angekommen!)

Auch durch Zufall wurde im Hinteren Odenwald der sehr, sehr seltene Schwarzstorch als Brutvogel ausgemacht. Garantiert wissen nur wenige die Stelle, wo die Schwarzstorch-Familie ihre Jungen aufzieht und das ist auch gut so. So sind sie am besten geschützt und wehe den Wissenden, wenn sie ihre Kenntnis preisgäben würden!

Der Odenwald ist voller Gerüche. Im heißen Sommer duftet das Kiefern-, das Fichtenholz, man riecht das Moor, dass mit seinen wenigen offenen und dunklen Wasserstellen eine Paradies für seltene Libellen und Pflanzen ist. Direkt am Moor vorbei, es ist das Hochmoor „Rotes Wasser“ – auch Olfener Moor genannt, verläuft der Nibelungen-Wanderweg. Schade eigentlich, dass von zehn Wanderern nur einer, das wohl letzte, echte Hochmoor im Odenwald,  mit einem Blick würdigt. Wandern heißt für einige Zeitgenossen, „Kilometer zu fressen“. Und sie wissen gar nicht, was ihnen alles entgeht. Sie hören nicht das Krächzen des Kolkraben, nicht das dumpfe Rufen der Moorfrösche im noch kalten Frühjahr. Sie sehen nicht, wie drei halbstarke Rabenkrähen einen Falken jagen. Sie hören nicht dessen klagende Rufe. Sie sehen nicht den jungen Fuchs, der drei Meter vor ihnen in den Bau flüchtet. Sie riechen nicht den Fuchsbau, aber sie schreiben sich 20 Kilometer Wanderweg zugute.

 

3.      Wie der Odenwald besiedelt wurde

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Nachweislich bereits vor etwa 500.000 Jahren wanderten Menschengeschöpfe durch die großen Waldgebiete. Heute nennen wir diesen Urmenschen „Homo heidelbergensis“. Er zählte garantiert keine Kilometer, um sich fit zu halten. Er wanderte (nackt?) im Sippenverband durch die üppigen Wälder der damaligen Warmzeit; immer auf der Suche nach Essbarem. Er muss genügend gefunden haben, denn der Homo heidelbergensis entwickelte sich über Hunderttausende Jahre zum Neanderthaler. Und der lebte über 300.000 Jahre in Eurasien und überlebte sogar die fast komplette letzte Eiszeit. Glaubte man früher, der Neanderthaler sei ein primitiver Mensch (halb Affe - halb Mensch), dumm und einfältig, der nur seinen Trieben lebte, so wissen wir heute, dass der „Homo neanderthalensis“ eine Kultur besaß. Er konnte sprechen, beerdigte die Toten, pflegte starke soziale Kontakte, schuf tolle Werkzeuge und war letztendlich bereits so intelligent, wie wir heute. Als Jäger war er erfolgreich, jagte das Mammut und das Wollnashorn, den Riesenhirsch und den Höhlenbär. Und als der Jetzt-Mensch, der „Homo sapiens“ aus Afrika über Westasien nach Europa vor etwa 70.000 Jahren einwanderte, so kam es zwischen diesen beiden verwandten Menschen zu Liebesbeziehungen. Und so kann heute jeder Europäer, jeder Odenwälder von sich sagen: „In mir steckt auch ein Neanderthaler!“

Da während der letzten Kaltzeit, der Weichsel-Kaltzeit – in Süddeutschland auch Würm-Kaltzeit genannt, der Odenwald eisfrei blieb, haben bestimmt auch Neanderthaler das Gebirge betreten. Ausgerüstet mit Wurfspeeren jagten sie das Mammut und das Wollhaarige Nashorn. Skelettreste, Zähne, Elfenbeinsplitter fand man in den ehemaligen Lehmziegelgruben bei Birkenau. Als Beweis, dass hier Menschen gelebt haben, galt der Fund von Holzkohle sowie von Quarzit-Schabern, die zum Zerlegen der Tiere benutzt wurden.

So wie Tausende Menschen nach ihnen, haben bestimmt auch die Neanderthaler die schützenden Täler im Odenwald aufgesucht. Hier hatten sie ihre Feuerstellen, ihre Halbhöhlen oder einfachsten Hütten. Und von den Tälern aus begann die Jagd, die sie vielleicht auch auf die baumlosen, vom Winde beherrschten Odenwaldhöhen führte. Als Tundra bezeichnen wir heute diese (fast) baumlose Vegetationszone. Sommertemperaturen lagen knapp über dem Gefrierpunkt, selten wurden 10° C und mehr erreicht. – 20 bis – 40° C im Winter waren normal. Und hier lebten und überlebten die Neanderthaler.  Wissenschaftler nehmen an, dass bestimmte Gene - „Überlebensgene“ – der Neanderthaler dem Homo sapiens halfen, auch die damals unwirtlichen aber eisfreien Gebiete Europas zu besiedeln. So verhalfen die Liebesbeziehungen zwischen „Homo neanderthalensis“ und „Homo sapiens“, dem Jetztmensch dabei, selbst in extremen Klimazonen zu leben. Und damit könnten die Funde in der Birkenauer Lehmgrube auch vom Homo sapiens stammen.

Die Steinbeil-Funde von Liebersbach waren garantiert Werkzeuge der Homo sapiens, Jetztmenschen der jüngeren Steinzeit. Keine 4 km von Heppenheim entfernt, fand man nahe der Juhöhe vier Hügelgräber. Hier bestatteten die Schnurkeramiker ihre Toten, gaben ihnen Gegenstände des Alltages sowie Nahrung für das „Weiterleben in der anderen Welt“ mit in das Grab. Vor 4800 bis vor 4200 lebten diese Schnurkeramiker. Sie erhielten diesen Namen, da sie in ihre Tongefäßen Verzierungen einbrachten, indem sie Schnüre in den weichen Ton pressten.

Ja, klug waren unsere Altvorderen! Dies galt für den Neanderthaler genauso, wie für den frühen Homo sapiens. Und den Menschen der ausgehenden Steinzeit, der Kupferzeit, bescheinigen die Wissenschaftler nachweislich das Denkvermögen eines heutigen Menschen. Die Gletschermumie „Ötzi“ verhalf der Wissenschaft zu vielen neuen Erkenntnissen.

Mumien hat man im Odenwald garantiert nicht gefunden. Auch über die Zeit der Kelten, die im Odenwald lebten, weiß man wenig. Einige Forscher bezweifeln sogar, dass Kelten hier sesshaft waren. Sprachforscher nehmen aber an, dass das Wort „Weschnitz“ (ein wichtiger Fluss im westlichen Odenwald) vom keltischen Gott Visucius abgeleitet ist – auf keltisch:  „Visgoss“ oder „Wisgoz“.

So gut wie sicher ist, dass herausragende Odenwaldberge für Kulthandlungen benutzt wurden. Besonders der Heiligenberg bei Heidelberg, der Kreuzberg bei Hemsbach, der Kapellenberg bei Fürth und das Quellheiligtum Lichtenklingen sollen Orte gewesen sein, wo der keltische Priester, der Druide seine heiligen Handlungen vollzogen hat. Garantiert hat er genügend „Stoff“ für sein berauschendes Getränk im Odenwald gefunden: die Mistel. Besonders die Eichelmistel soll beim Druiden begehrt gewesen sein. Hier mein Rezept für den berühmten „Zaubertrank“ des Miraculix: Man nehme Mistelbeeren, deren Zweig mit einer goldenen Sichel geschnitten wurde, dann …

Sollten Sie sich ein berauschendes Getränk brauen, so wird es Ihnen leichter fallen, ein Studentenlied aus dem 19. Jh. lautstark zu grölen. Und damit Sie den Text nicht vergessen, hier können Sie mitlesen, wenn Sie denn noch lesen können:

 

1.      Es saßen die alten Germanen zu beiden Ufern des Rheins.

         Sie lagen auf Bärenhäuten und tranken immer noch eins.

Refrain :

Und eins und zwei und drei und vier,

sie tranken unheimlich viele Lagen Bier

und fünf und sechs und sieben und acht,

sie soffen die ganze Nacht.

 

2.       Da trat in ihre Mitte ein Jüngling römischen Bluts.

          Seid gegrüßt ihr edlen Germanen, ich bin der Tacitus.

 

3.       Da reichten die alten Germanen ihm einen vollen Krug.

          Und als er diesen getrunken, da hatte er genug.

 

4.       Und als der Römer besoffen, und nichts mehr trinken kann,

          da fingen die alten Germanen erst richtig zu saufen an.

 

5.       Und als am nächsten Morgen der Römer den Schaden besah,

          da schrieb er mit zitternden Händen in seine Germania:

 

          Es lagen die alten Germanen zu beiden Ufern des Rheins.

          Sie lagen auf Bärenhäuten und tranken immer noch eins.

 

6.      Wir sind keine alten Germanen,

         doch pflegen wir uralten Brauch.

         Wir würfeln nicht um unsere Weiber,

         doch saufen tun wir auch.

 

Und nun drehen Sie mal die Zeit zurück: Heidelberg vor mehr als 150 Jahren. In einer der typischen Studentenkneipen wird gefeiert. Dann verkündete man der biederen Bevölkerung nachts um 12 Uhr, dass man gesoffen hat – lautstark! Der Stadtbüttel schnappt sich die Herren Studiosi und bringt sie zur Ausnüchterung ins Stadtgefängnis. Am nächsten Tag standen dann die Herren vor dem Dekan und der verkündete: „ 3 Tage Karzer!“

Vielleicht hat sich dann ein Studiosus der Geschichte bei der nächsten Klausur erinnert, dass die Römer auch einst zu beiden Seiten des Rheins lagen und der Odenwald zu ihrem Herrschaftsgebiet gehörte.

Was erinnert denn heute noch an die Römer im Odenwald?

Da ist wohl als Erstes der legendäre Grenzwall, der Neckar-Odenwald-Limes, zu nennen.

Zweitens auf alle Fälle die Riesensäule, von römischen Steinmetzen aus dem dunklen Quarzdiorit (Melaquarzdiorit) gehauen und im sagenumwobenen Felsenmeer bei Reichenbach einfach liegen gelassen wurde. Und sie ist noch heute ein Besuchermagnet.

Als Drittes würde ich die römische Villa Haselburg erwähnen.

Nennenswert finde ich auch, dass die Spurbreite der heutigen Odenwaldbahn sowie der Draisinenbahn, wie übrigens alle Eisenbahnen in  West- und Mitteleuropa, die Spurbreite der altrömischen Wagen ist.

Was wären wir ohne das lateinische Alphabet, ohne die Erfindung der Wasserklosetts?! Wie würden unsere Häuser heute aussehen, hätten die Germanen einst in grauer Vorzeit sich nicht die Fenster bei den Römern abgeguckt? Und mit dem Wort „Fenster“ verwenden wir heute noch ein lateinisches Wort – nämlich fenestra = Fenster.

Unbedingt muss hier auch eine Straße erwähnt werden, die die Römer am Rande des Odenwaldes bauten. Später wurde sie die „Strata Montana“ genannt – Bergstraße.

Typisch für das damalige Ried in der Oberrheinebene waren die Feuchtgebiete. Regelmäßigen Überschwemmungen durch Rhein und Weschnitz schufen eine Landschaft, die schwer zu durchfahren war. Also bauten die Römer diese Straße erhöht am Rand des Gebirges. Sie war sicher vor Überschwemmungen und ist bis heute die immer noch stark befahrene (alte) B 3.

Und wie dachten die Römer über uns? Im Sauflied der Studenten ist ein gewisser Tacitus erwähnt, der zwar nicht saufen konnte, dafür aber auch für uns heute Wichtiges über die Germanen aufschrieb. Ein Glück, dass die Römer eine Schriftsprache hatten; die Runen der Germanen kann man eigentlich nicht eine Schriftsprache nennen.

So aber wissen wir heute, dass die Germanen viel Met tranken, kühne Kämpfer waren, dass sie an Wodan und Donar, an Frija und Balder glaubten und doch im römischen Verständnis nur ungebildete Barbaren waren.

Der Tacitus fand aber auch freundliche Worte für unsere Vorfahren. So schrieb er im Kapitel 22 vor etwa 100 n. Chr. in seine „Germania“: „Dieses Volk, ohne Falsch und Trug, offenbart noch stets bei zwanglosem Anlass die Geheimnisse des Herzens; so liegt denn die Gesinnung aller unverhüllt und offen dar.“

Ja – und so sind wir noch heute! Stimmt’s?!

 

4.      Wer sind die berühmtesten Odenwälder

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Da muss ich zuerst eine Gottheit nennen: den Göttervater der Germanen. Wodan nannten die germanischen Stämme ihn im südgermanischen Raum. Odin hieß derselbe Gott bei den Nordgermanen. Woher der Name „Odenwald“ kommt, ist bis heute nicht geklärt. Eine Möglichkeit wäre, dass Odin dem Waldgebirge seinen Namen gab: Odins Wald = Odenwald.

Dagegen spricht aber eines der wichtigsten Dokumente des frühen Mittelalters: die Merseburger Zaubersprüche. Sie sind in der althochdeutschen  Sprache verfasst und dort findet man im 2. Zauberspruch die Zeile „Phôl ende Wuodan fuorun zi holza.“

Die Übersetzung lautet: „Phol und Wodan begaben sich in den Wald.“

Der Gottvater hieß „Wuodan“ – nicht Odin. Also nichts mit „Odins Wald“?

Naja, da dies hier keine wissenschaftliche Abhandlung ist, bleibe ich doch bei „meinem“ Odins Wald. Noch dazu, da ebenfalls ein wichtiger Germanengott, der Donar – Gott des Donners und des Blitzes – einem kleinen Berg bei Mörlenbach seinen Namen gab.

Im Heimatbuch Mörlenbach ist in einem Beitrag eines Pfarrers Lesker aus dem 19.Jh. zu lesen: „Beharrlich nennen die Mörlenbacher den Hügel ‚Donnersberg‘, obwohl er im Grundbuch als Ulrichsberg bezeichnet ist.“

Somit haben wir bereits zwei berühmte Odenwälder. Und wer soll der Dritte sein? Klar – da kommt kein anderer als Siegfried in Frage. Soll er doch im Odenwald hinterrücks von Hagen umgebracht worden sein. Das soll sich zu einer Zeit abgespielt haben, in der ein ostgermanischer Volksstamm, die Burgunden (oder Burgunder), sich am Rhein niedergelassen hatten. Sie sicherten wohl im Auftrag der Römer den Rhein als damalige Grenze  des Weströmischen Reiches. Worms wurde die Hauptstadt des Burgundenreiches und das viel später aufgeschriebene Nibelungenlied machte den Odenwald, Worms und die Burgunder landesweit bekannt.

Das Burgundenreich bestand nur zwei Jahrzehnte (von 413 bis 436). Seine Grenzen sind genauso wenig belegt, wie der legendäre Schatz der Nibelungen, den Hagen von Tronje im Rhein versenkt haben soll. 

Der Recke Siegfried ist ein „positiver Held“, starb er doch durch Mörderhand. Seinen Riesensarg können Sie noch heute im Lorscher Museum besichtigen. Den Hagen streichen wir von der Liste, Mörder haben hier nichts verloren und außerdem suchen noch heute Profis und Amateure diesen sagenhaften Goldschatz im Rhein. Und noch dazu streiten heute Heimatforscher, wo diese berüchtigte Mordtat geschah. Also: Siegfried gut – Hagen schlecht!

Sein Name ist in vieler Hinsicht mit dem Odenwald verbunden: Karl der Große. Als ein christlicher König und späterer Kaiser setzte er mit brutaler Waffengewalt das Christentum durch. Er befahl den Glauben und wer seinen germanischen Göttern nicht abschwören wollte, - na? Da kannte er nur ein Mittel: Kopf ab! Viele Sachsen wurden kopflos. Wie kann man aber auch nur so störrisch sein, spricht doch der fromme Priester von Frieden und Güte – diesen Glauben muss man doch annehmen wollen.

Mit den Odenwäldern hatte der König Karl keine Sorgen. Dort begann die Bekehrung zum Christentum bereits zur Zeit des Frankenkönigs Chlodwig (um 500 n. Chr.) - auch mit harter Hand. So konnte aber der Karl später im Odenwald Wichtiges voranbringen. Und da wäre die historische Grenzziehung auf dem Kahlberg zu nennen. In Anwesenheit des Königs wurde anno 795 ein Schiedsgericht berufen, das die Grenzen der Mark Heppenheim neu festlegte.

Und nun staunen Sie: Diese Grenze galt über 1.200 Jahre und ist noch heute die Grenze zwischen dem Kreis Bergstraße und dem Odenwaldkreis.

Ein Naturdenkmal ist im westlichen Odenwald ebenfalls eine Grenzmarkierung. Ein großer Granitbrocken, der die Gestalt eines liegendes Pferdes hat, wurde urkundlich 805 als Grenze benannt. Der führt den Namen „Stennenros“ – hochdeutsch „Steinernes Pferd“. Und diesen gewaltigen Grenzstein konnte keiner verrücken!

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Karl der Benediktinerabtei in Lorsch seinen Schutz vor den Übergriffen weltlicher und kirchlicher Fürsten angedeihen ließ. Auch machte er dem Kloster Geschenke. So unterstand die Mark Heppenheim dem Abt des Klosters Lorsch. Als Gegenleistung stützten Abt und Mönche das Karolinger Reich.

Auch in einer Sage spielt der König Karl eine wichtige Rolle:

„Imma, eine Tochter Karl des Großen hatte sich in den Baumeister Einhard verliebt. Als beide nach einem nächtlichen Treffen vor die Gemächer der Jungfrau traten, mussten sie entdecken, dass es geschneit hatte und die Fußspuren Einhards im Schnee ihre heimliche Liebe verraten könnte. Da trug Imma ihren Geliebten durch den Schnee. Der Kaiser sah dies. Nach langer Beratschlagung gab er Einhard Imma zur Frau.“

Einhard war Berater und Bauherr des Königs. Er schuf in Steinbach (Ortsteil von Michelstadt) eine Basilika, die seinen Namen trägt: die Einhardsbasilika. Es gibt in Deutschland kein vergleichbares Gotteshaus aus dieser Zeit.

Und wenn Sie sehen wollen, wie die Menschen in der Karolinger Zeit um 800 gelebt haben, so besuchen Sie doch das Dorf „Lauresham“ (alter Name für Lorsch) zwischen der Stadt Lorsch und dem Kloster Altenmünster an der Weschnitz. Es ist der Nachbau eines Dorfes aus der Zeit Karl des Großen.

Auch sehr bekannt im Odenwald und noch heute gefürchtet ist ein Suffkopp, Macho, Aufschneider, Wüstling und ein Ritter! Geheißen und in die (Sagen-) Geschichte eingegangen ist er als Ritter, Hans III. zu Rodenstein (oder in der Kurzfassung der Herr von Rodenstein).  Kriegslüstern war er gewesen und ist trotz der Bitten seiner schwangeren Gattin in den Kampf gezogen. Seine Ehefrau gebar einen toten Jungen und verstarb alsbald. Zuvor habe sie aber noch ihren Gatten dazu verflucht, immer bei einem drohenden Kriegsausbruch aus seinem Grab zu steigen.

„Ruhelos muss von Zeit zu Zeit sein Geist ausziehen und dem Lande ein Unheilsbote werden. Wenn ein Krieg auszubrechen droht, erhebt er sich schon ein halbes Jahr zuvor, begleitet von Tross und Hausgesinde, mit lautem Jagdlärm und Pferdegewieher und Hörner- und Trompetenblasen. Das haben viele Hunderte gehört …“ So berichtet die Sage vom wilden Rodensteiner.

 

Und der Dichter von Scheffel schrieb im 19.Jh.:

 

„Es regt sich was im Odenwald.

Und durch die Lüfte hallt’s und schallt.

Der Rodensteiner zieht um.

Vom Rhein her streicht ein starker Luft,

der treibt den Alten aus der Gruft.

Der Rodensteiner zieht um.“

 

Und noch heute schauen abergläubische Leute zum chaotischen Wolkenhimmel und flüstern: „Herrgott, steh uns bei! Gibt es Krieg!?“

 

Kriege mochte er wohl nicht, der regierende Fürst Graf Franz I., Graf zu Erbach-Erbach. (1754 – 1823). Denn er förderte Handwerk und Gewerbe, die Land- und Forstwirtschaft, und er liebte die Archäologie. Dieser Graf war hochgebildet und reiste viel in seiner Jugendzeit. Als er die Regierungsgeschäfte übernahm, versuchte er, das Leben der armen Bevölkerung zu verbessern. Er begründete die Elfenbeinschnitzkunst und diese ist noch heute in Erbach und Umgebung ein bedeutender Wirtschaftszweig. Als am 29. April 1810 die kleine Stadt Beerfelden in Flammen unterging, es brannten 180  Wohnhäuser, Kirche, Rathaus, 97 Scheunen und  27 Nebengebäude, da war die Not der Menschen so groß, dass auch der Graf zu Erbach-Erbach für umfangreiche Hilfe sorgte.  Auch die Hessische Brandassekuratorionskasse zahlte 172.802 Gulden für den Wiederaufbau, der in weniger als 2 Jahren erfolgte.

Auch hier zeigte ein Graf Franz I. zu Erbach-Erbach sein soziales Gewissen.

Ist Ihnen aufgefallen, dass alle sogenannten wichtigen Persönlichkeiten des Odenwaldes, die ich hier aufzählte, Männer waren! Keine Frau, kein Fräulein, keine Jungfer, keine Jungfrau, noch nicht einmal ein Mägdelein konnte ich benennen.

Halt - eine germanische Göttin sollte ich doch erwähnen – die Frija, die uns bis heute ihren Namen als Wochentag „Freitag“ hinterließ und ansonsten die Göttermutter und Ehefrau des Wodan/Odin war und für die Fruchtbarkeit und das Kinderkriegen sorgte.

Und nun  muss ich mir wohl mit Hexen behelfen. Die sollen ja garantiert weiblich sein und haben –  so die Sage – wie auf dem Brocken im Odenwald auch einen „Stützpunkt“. Und der ist nahe der Burg Frankenstein, auf dem Ilbes-Berg. Dort befinden sich die Magnetsteine. Zwar meinte das abergläubische Volk, dass die Hexen diese Felsen magnetisiert hätten, doch der aufgeklärte Geologe erklärt, dass höchstwahrscheinlich in grauer Vorzeit heftigste Blitzeinschläge zu diesem Phänomen führten. Und dass das nicht erlogen ist, können Sie mit einem Kompass schnell selbst überprüfen. Die Kompassnadel spielt nämlich verrückt. Auch haftet ein Magnet an der steilen Wand.

Jetzt kann ich Ihnen noch eine weiße durchsichtige Gestalt als wichtige Persönlichkeit bieten. Es ist die „Weiße Frau“, die seit Jahrhunderten auf der Heppenheimer Starkenburg  aus Trauer um ihren bei der Verteidigung der Burg gefallenen Gemahl noch heute jammernd und wehklagend durch die Umgebung der Burg streift. Sie erscheint angeblich meist kurz nach Sonnenaufgang als weiße, nebelhafte Gestalt.

Die „Weiße Frau“ muss sehr attraktiv sein, denn sie wird auf vielen Burgen und Schlössern gesehen. Selbst auf dem Hofgut Lichtenklingen erschien sie jede Nacht und wiegte das Kind des Holzfällers in den Schlaf. Als die Frau eines Nachts auch im Forsthaus erschienen war und der Förster auf sie schießen wollte, versagte sein Gewehr und sein Arm wurde steif. Die „Weiße Frau“ war danach nicht mehr gesehen.

 

5.      Was ein Fremder unbedingt im Odenwald besucht haben sollte

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Da wäre zuerst das sagenumwobene spektakuläre Felsenmeer bei Reichenbach zu nennen. Wenn Sie zum ersten Mal diese Anhäufung gewaltiger Gesteinsbrocken sehen, dann staunen Sie garantiert und Sie verstehen auch die Menschen des Mittelalters, die für diese interessante geologische, geomorphologische Naturerscheinung eine Erklärung suchten. Da sie nichts über Tiefengesteine, über Gebirgsbildungen, über chemische Verwitterung und Spaltenfrost wussten, sich aber bestens mit Fabelwesen  auskannten, erfanden sie eine logische und sagenhafte Erklärung. Nur Riesen konnten solch gewaltige Gesteinsbrocken bewegt haben. Also schloss man daraus, dass zwei Riesen, der Riese vom Felsberg und der vom Hohenstein, in Streit gerieten und sich mit Steinen bewarfen. Der Hohenstein-Riese, auch als „Steinbeißer“ bekannt, war wohl stärker, denn er begrub mit seinen Würfen den Felsberg-Riesen, gerufen mit dem Namen „Felshocker“, unter einem gewaltigen Gesteinsteppich. So also war das Felsenmeer entstanden und wer den Felsberg-Riesen erleben will, der kann ihn  erwecken. Er stampfe nur mit dem Fuß kräftig auf den Boden. Dann stöhnt der arme geschundene  Riese „Felshocker“ noch heute. Und wer ausgezeichnete Ohren hat, der presse sie auf den Gesteinsboden. Und was hört er? Lautes Schnarchen! Erklärung dafür: Auch ein Riese muss mal schlafen.

Mit dieser Sage wird auch geklärt, warum der Hohenstein nur ein mächtiger Felsen ist und hier keine anderen Felsbrocken vorhanden sind. Dieser Hohenstein ist aber so gewaltig – immerhin 17 m hoch - , dass er als Kletterfelsen von den Bergsteigern angenommen wurde.

Sehenswert sind im Odenwald die vielen Burgen. Auf einer Burg, hoch über der Oberrheinebene gelegen, wächst eine Waldkiefer. Ihre Wurzeln greifen tief in das Gemäuer der Burgruine, die einst von ihren Besitzern als Schloss bezeichnet wurde. Es ist das Auerbacher Schloss und die 300 Jahre alte und nur 7 m hohe Kiefer zählt zu den Naturwundern Deutschlands.

Nur wenige Kilometer weiter nördlich erhebt sich die Burg Frankenstein über die Oberrheinebene. Und der Name „Frankenstein“ zieht auch heute noch Besucher magisch an. Besonders für Kinder und Gruselfans ist diese Burg zu Halloween ein besonderes Erlebnis. Soll doch hier einst ein größenwahnsinniger Arzt aus Leichenteilen einen lebenden Menschen erschaffen haben. Wahrscheinlich stand für diese Story der 1673 auf der Burg geborene Theologe, Alchimist und Arzt Johann Konrad Dippel Pate. Er führte alchimistische Versuche durch, unter anderem auch mit Nitroglyzerin. Auch soll Dippel für seine Experimente Leichen benutzt haben. Ob es wahr ist? Auf jeden Fall schön gruselig – und passend zu Halloween. Für die Verbreitung der Gruselgeschichte sorgte die englische Schriftstellerin Mary Shelley. Und als der Film erfunden wurde und der Film das Genre „Gruselfilm“ entdeckte, wurde die Burg Frankenstein (fast) weltberühmt.

Verlassen wir den Westabhang des Odenwaldes. Begeben wir uns in den Hinteren Odenwald, den Buntsandstein-Odenwald. Dort erhebt sich eine Burg auf dem Breuberg (306 m ü.NN) über das Hügelland. Im 12. Jh. von der Reichsabtei Fulda gegründet, diente sie einst zum Schutz ihrer Besitztümer im Odenwald. In den folgenden Jahrhunderten wechselten die Besitzer, die auch ständige Um-, An- und Neubauten vornahmen. Vom 25 m hohen Bergfried hat man einen weiten Blick ins Land. Hier findet man auch in den Sandstein geritzt Namen, Orte und Jahreszahlen in kyrillischer Schrift – ein Zeugnis jüngster deutscher Geschichte. Sowjetische Zwangsarbeiter waren hier während des 2. Weltkrieges eingesperrt. Wenn man heute auf dem Turm steht, diese kyrillischen Schriftzeichen sieht und die Geschichte der Zwangsarbeiter während der Nazi-Herrschaft kennt, kann man erahnen, wie diese Männer und Frauen, als sie 1945 von der amerikanischen Armee befreit wurden, in ihrer Freude auf den Turm stiegen, nach Osten in Richtung Heimat blickten und ihr Leid für alle Ewigkeit in den Stein ritzten.

Heute befindet sich die imposante und sehenswerte Burganlage im Besitz des Landes Hessen und wird als Jugendherberge genutzt. Am Eingangstor wird der Besucher vom „Breilecker“ begrüßt. Der Kopf ist ein sogenannter Neidkopf und soll Böses abwehren.

Ein noch berühmterer Neidkopf ist der Buchener Arschblecker. Die Legende erzählt: „Als nämlich 1382 pfälzische Truppen die Stadt belagerten und die Bevölkerung aushungern wollten, da entschlossen sich die Buchener, einem Manne alles Essen zu geben. Und der, als er den Buchenern wohlgenährt erschien, kletterte auf die Stadtmauer und streckte sein blankes, dickes Hinterteil dem Feind entgegen. Als die den nackten A… sahen, meinten sie, diese Stadt könnten sie nie und nimmer aushungern - und so zogen sie von dannen. Und auch heute noch ehren die Buchener ihren Blecker, indem sie jedes Jahr eine Nachbildung auf dem Wagen durch ihre Stadt fahren. Und die Leute steigen auf den Wagen und küssen dem Blecker das blanke Hinterteil.“

 Wenn Sie dies sehen wollen, als Gast dürfen Sie übrigens auch das Hinterteil küssen, dann fahren Sie zur Fastnacht nach Buchen. Dort erleben Sie auch den „Huddelbätz“, den Fleckenmann. Viele Hunderte Huddelbätz hüpfen mit ihren vielen Glöckchen am Gewand und machen solch gewaltigen Lärm, dass alle bösen Geister vor Angst aus der Stadt fliehen.

Was müsste ein Fremder sich noch im Odenwald ansehen? Die Veste Otzberg, auf einem alten Vulkan aus der Tertiärzeit errichtet? Ja- ist sehenswert! Übrigens unterhalb der Burg werfen Sie einen Blick auf die schön ausgebildeten Basaltsäulen! (Naturdenkmal)

Beim Stichwort „Basalt“ fällt mir sofort der höchste Odenwaldberg mit seinen 626 m ein: der „Katzenbuckel“. Ebenfalls ein ehemaliger Vulkan, überragt er das umliegende Land, welches aus Buntsandstein besteht und Hochflächen bildet. Der Berg blieb als sogenannter „Härtling” zwischen den Ablagerungsgesteinen erhalten. Der Vulkan, der heutige „Katzenbuckel“, war bereits am Ende der Erdmittelzeit (Kreidezeit – vor ca. 68 Millionen Jahren) ausgebrochen. Vor ca. 40 Millionen Jahren erfolgte ein erneuter Ausbruch. Und dies schreibe ich für die Odenwald-Besucher, die sich für Geologie und Gesteine interessieren. Sie wollen wissen, welche Gesteine es hier gibt? Ach, Sie wissen doch - meinen

„Kleinen Exkursionsführer“ lesen!

Für Leute, die einen richtigen Odenwald-Winter erleben möchten, empfehle ich auch den „Katzenbuckel“. Der Nordosten von Baden-Württemberg hieß im Volksmund früher auch „Badisch Sibirien“. Bekannt für das raue Klima galt früher eine Versetzung eines badischen Beamten in dieses Gebiet als „Verbannung“. Heute locken Hotels und Pensionen auch im Winter Gäste an. Und wenn Sie Glück haben, können Sie auf der einzigen Odenwälder Skisprungschanze am Fuße des Katzenbuckels den menschlichen „Adlern“ beim „Fliegen“ oder auch nur beim „Hüpfen“ zusehen.

Ist eigentlich ein blöder Name für einen Berg: Katzenbuckel. Obwohl ich mich von allen Seiten diesem Berg genähert habe, einem Katzenbuckel sah er nie ähnlich. Na ja – besuchenswert ist er trotzdem!

Felsenmeer und Veste Otzberg gehören zum hessischen Odenwald, Buchen und Katzenbuckel zum badischen Odenwald - und zum bayrischen Odenwald? Da steht auf meiner Liste zuerst das Kloster Amorbach. Diese Abtei hatte im 8. Jahrhundert ähnlich wie die Kloster Lorsch, Kloster Mosbach und Kloster Fulda den Auftrag von der fränkischen Zentralgewalt erhalten, die bisher unbesiedelten Waldgebiete des Odenwaldes zu besiedeln. Die Benediktiner Abtei Amorbach wurde z. Zt. Karl des Großen zur Reichsabtei und genoss den Schutz des Frankenkaisers. 1803 wurde die Abtei säkularisiert (Napoleonisches Zeitalter). Die 24 Mönche mussten das Kloster verlassen. Die Fürsten von Leiningen übernahmen den Klosterbesitz. Dem Kloster verdankt das Städtchen Amorbach auch seine Entstehung (Stadtrecht 1253).

Bummeln Sie durch das herausgeputzte Städtchen und besuchen Sie unbedingt die wunderschöne barocke Klosterkirche.

 

Sehenswert und unbedingt aufzusuchen ist der Staatspark „Fürstenlager“. Wenn Sie von Amorbach zum „Fürstenlager“ mit dem Auto fahren, so nehmen Sie folgende Fahrtroute (Sehenswürdigkeiten stehen in Klammern):

 

-          nach Walldürn (Basilika zum „Heiligen Blut“)

-          nach Buchen (Altstadt und Hunderte Madonnenbilder)

-          nach Mosbach (1000 Schritte durch die historische Altstadt)

-          nach Eberbach/Neckar (Altstadt und Fassaden-Malerei)

-          nach Hirschhorn (Altstadt, Burg Hirschhorn und die ehrwürdige

           Ersheimer Kapelle  als älteste Kirche des Neckartals - 733 erste

           urkundliche Erwähnung) 

-          nach Neckarsteinach (4-Burgen-Stadt, Altstadt)

-          nach Heidelberg (Altstadt, Schloss)

-          nach Schriesheim (Altstadt, Strahlenburg)

-          nach Weinheim (Gerberbach-Viertel, Exotenwald, Schau- und

           Sichtungsgarten „Hermannshof“)

-          nach Heppenheim (Altstadt, Starkenburg)

-          nach Bensheim (Altstadt, Auerbacher Schloss)

 

Im Bensheimer Stadtteil Auerbach finden Sie diesen Staatspark „Fürstenlager“ – ein herrschaftliche Dorf. Um das Jahr 1790 wurde diese Anlage als Sommerresidenz vom Landgrafen Ludwig I. (Hessen-Darmstadt) erbaut. Einst ein berühmtes Heilbad, ist es heute ein gern besuchtes Naherholungsgebiet. Wenn Sie durch die große englische Gartenanlage spazieren, so machen Sie unbedingt auch einen Abstecher zur Eremitage.

Wenn ich dieses Kapitel jetzt abschließen würde, ohne Michelstadt und Erbach zu erwähnen, dann dürften mir alle Odenwaldkenner böse sein. Gelten doch beide Städte als Besuchermagnete im mittleren Odenwald. Beide Städte haben eine wunderschöne Altstadt mit vielen historisch wertvollen Gebäuden. Das Michelstädter Fachwerk-Rathaus (Spätgotik 1484) ist ein sogenanntes Stelzen-Rathaus. Das Rathaus diente von Beginn an als Markthalle und stand ursprünglich vollständig auf Säulen aus Eichenholz, die an der Rückseite im Osten später durch einen Unterbau aus Steinmauer ersetzt wurden. Bis jetzt ist nicht bekannt, wer der Baumeister war. In der brasilianischen Stadt Blumenau steht ein Nachbau des Rathauses.

Erbach bietet seinen Besuchern ein Schloss mit spätbarocker Fassade. Die Sammlungen der Grafen zu Erbach-Erbach bilden heute das Kernstück des Museums. Ein zweites Museum ist ein „Muss“ für jeden Fremden: das Elfenbeinmuseum. Was man alles aus Elfenbein bzw. heutzutage aus Mammut-Elfenbein schnitzen kann, ist anschauenswert.

Und im Dezember wetteifern beide Städte mit ihren historischen Weihnachtsmärkten.

 

6.      Was es nur im Odenwald gibt

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Natürlich nenne ich da zuerst die Riesensäule im ehemaligen römischen Steinmetzbetrieb unter freiem Himmel – zu finden im Felsenmeer bei Reichenbach. Römische Steinmetze schufen die 9,39 m lange und (geschätzte) 28 Tonnen schwere Säule. Und wenn Sie das Gewicht Ihres Autos kennen, dann rechnen Sie mal! (Zum Vergleich: 1 Kleinwagen wiegt ca. 1 Tonne.)

Wahrscheinlich war sie für eine römische Basilika in Trier bestimmt. Ein Glück, dass diese Säule nicht mehr gebraucht wurde. Verhilft sie uns doch heute noch, bewundernd vor dem Ergebnis römischer Handwerkskunst zu stehen.

Weniger bekannt ist, dass der höchste Baum Deutschlands im Odenwald steht. Erst wenn Sie unter der Douglasie stehen und zur Krone blicken, erahnen Sie die Größe: über 60 m hoch. Suchen müssen Sie diesen Baum unweit des Städtchens Eberbach am Neckar.

Sehr berühmt und als Naturwunder Deutschlands bekannt gilt die Kiefer auf dem Auerbacher Schloss. Erinnern Sie sich? Ich sprach schon darüber.

Der nächste Waldbestand gilt nicht als Wunder, sondern ist eher exotisch. Beim Durchwandern des Exotenwaldes bei Weinheim achten Sie bitte auf die vielen Schilder. 1872 von Christian Freiherr von Berckheim angelegt, gilt er heute europa- und weltweit in der Vielfalt der Baumbestände als einzigartig. Wurden zunächst längs der Wege wertvolle Bäume gesetzt, so pflanzte man später zwischen diesen Alleen fremdländische Bäume (aus Nordamerika, Kleinasien, Nordafrika und dem Mittelmeergebiet). In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen insbesondere japanische und ostasiatische Pflanzen hinzu. Seit 1955 im Besitz des Landes Baden-Württemberg ist der Exotenwald auf fast 60 ha gewachsen und umfasst heute rund 140 verschiedene Baumarten.

Sehenswerte Baumbestände sind: Mammutbäume (55 m hoch), Zedern, Zypressen sowie die Bäume im leuchtenden „Herbst-Kleid“: Zuckerahorne, Scharlacheichen, Hickory, Tulpenbäume, Kuchenbäume, Weinahorne.

Einmalig in deutschen Landen ist der Dreischläfrige Galgen bei Beerfelden. Er ist der letzte seiner Art und verdankt einem Zufall, dass er nicht beseitigt wurde. Die Legende erzählt von der letzten Hinrichtung im Jahre 1804: „Eine Zigeunerin wurde für den Diebstahl eines Huhnes und zweier Brote mit dem Tode bestraft. Als die Zigeunerin zur Hinrichtung geführt wurde, beeilten sich die Leute, um dem Schauspiel zuzusehen. Die Zigeunerin rief ihnen hinterher: 'Warum rennt ihr so? Solange ich nicht da bin, geht es nicht los!'"

Solchen Humor nennt man Galgenhumor und – man sollte „den Hut ziehen“ vor dieser Frau, die für ihre hungernden Kinder zur Diebin wurde.

Da wir gerade von Recht und Gesetz sprechen, so erlaube ich mir einen Ausflug zu den sechs Gerichtsstühlen aus dem 16. Jh., die in der Nähe von Vielbrunn unter freiem Himmel zu besichtigen sind. Sie sind Zeugnisse deutscher Gerichtsbarkeit.

Zeugnisse christlichen Glaubens stehen seit 1892 auf dem Kreuzberg bei Hemsbach. Auf diesem 310 m hoch gelegenen Berg stehen heute noch 14 gusseisernen Tafeln, auf denen der Leidensweg Jesus Christus nachvollzogen wird. Heute ist der Ort am Pfingstmontag ein Wallfahrtsort für gläubige Katholiken. Und so wie heute Christen zu ihrem Gott beten, so haben hier einst keltische Druiden und später auch germanische Priester ihre Götter angerufen.

Die berühmteste Wallfahrt aber ist im Odenwald die zum „Blutaltar“, zur „Basilika zum Heiligen Blut“. Alljährlich kommen Tausende Gläubige von Mitte Mai bis Mitte Juni nach Walldürn. (Walldürn liegt im Madonnenländchen am Ostrand des Odenwaldes.) Hier soll sich, so die Legende, das sogenannte Blutwunder von Walldürn anno 1330 ereignet haben.

Wikipedia berichtet, wie es dazu kam:

„1589 berichtet der Walldürner Pfarrer Hoffius von einer folgenreichen Begebenheit aus dem Jahre 1330: Bei einer Eucharistiefeier stieß der Walldürner Priester Heinrich Otto nach der Wandlung aus Unachtsamkeit den bereits konsekrierten Kelch um. Das vergossene Blut Christi in Weingestalt zeichnete daraufhin auf dem Korporale das Bild des Gekreuzigten und elf einzelne Häupter Christi mit Dornenkrone (Veronica). Der erschrockene Priester versteckte das Korporale aus Angst hinter einem Stein des Altars. 50 Jahre später erleichterte er auf dem Sterbebett sein Gewissen und nannte das Versteck des Tuches. Das Leinentuch wurde an der genannten Stelle gefunden, das Wunder (Blutbild) wurde allgemein bekannt, und eine große Verehrung des Tuches begann.“

Bereits 1408 bestätigte der Bischof von Würzburg die entstandene Wallfahrt.

Einer dieser Wallfahrtswege nach Walldürn führt mitten durch den Odenwald. An diesen uralten Straßen entstanden Bildstöcke, die zugleich als Rast- und Sammelpunkte für die Wallfahrer dienten. Da wären z. B. das Mossauer Bild, das Olfener Bild und das Bullauer Bild zu nennen. Das letztgenannte, das Bullauer Bild, entstand 1561. Und dies bedeutet, dass dieser Bildstock von Katholiken nach der Reformation auf „protestantischem Boden“ (Grafschaft Erbach) errichtet wurde. Das nennt man heute Toleranz des Glaubens. Eine weitere Besonderheit des Bullauer Bildes war, dass eine uralte Buche diesen Bildstock „einschloss“. Jetzt ist die Buche gefällt; der Bildstock steht in einem Schutzgatter.

Übrigens können Sie noch heute auf diesen alten Pilgerwegen wandern. Vielfach erkennt man noch das Straßenpflaster vergangener Zeit. Und unweit des Mossauer Bildstocks liegt der „Lärmberg“. Eine Geo-Park-Tafel erklärt, was es mit dem „Lärmen“ auf sich hat: „Machen Sie doch mal eine Zeitreise: Versetzen Sie sich in die Jahre 1618 bis 1648. Der Dreißigjährige Krieg ist ausgebrochen, und auch im Odenwald muss man stets auf die Ankunft feindlicher Truppen und Söldnerheere vorbereitet sein. Das Überleben hängt davon ab, dass sich wehrhafte Mannschaften frühzeitig zur Verteidigung versammeln können. Eine effektive Informationstechnik ist notwendig! So entsteht ein ausgefeiltes System zur schnellen Nachrichtenübermittlung. Seit dem Dreißigjährigen Krieg sind `Lärmfeuer´ urkundlich dokumentiert; das Wort `Lärmen´ hat in diesem Fall die Bedeutung `Alarm schlagen´....“

Eine Übersichtskarte an der Hütte zeigt, dass dieses Odenwälder Alarmsystem vom Rhein (Worms und Gernsheim) bis zum Hinteren Odenwald (Würzberg bei Michelstadt) umfasste.

Und wenn Sie Ende März/Anfang April den Odenwald besuchen, so können Sie am vorher festgelegten Tag die heutigen Lärmfeuer weithin lodern sehen. Vor Feinden wird zwar nicht gewarnt, Touristen sind immer willkommen, aber die Einheimischen treffen sich zum „Löschen“ in den Bierzelten.

Garantiert nur im Odenwald zu finden ist die Draisinenbahn, die von April bis Oktober selbsttretende Fahrgäste von Mörlenbach nach Waldmichelbach – oder umgekehrt – befördert. Sie kommen garantiert nicht außer Atem, denn diese Draisine fährt mit Solar-Unterstützung. Die Strecke ist die der ehemaligen Überwaldbahn (stillgelegt 1994) und steht heute unter Denkmalsschutz. Drei Viadukte und zwei Tunnel (Bauzeit 1898 - 1901) waren notwendig, um die großen Höhenunterschiede im Odenwald auszugleichen und die Strecke zwischen Mörlenbach und Wald-Michelbach für die Eisenbahn befahrbar zu machen. Wunderbare Ausblicke auf die Höhen und Täler des westlichen Odenwaldes erwarten Sie.

Unweit des Städtchens Amorbach erhebt sich über dem Tal die Burg Wildenberg, auch Wildenburg genannt. Sie ist noch heute eine imposante Burgruine und war einst aufgrund der Größe und der vorhandenen Bauwerke der „Führungsbau" bzw. das Vorbild für den deutschen Burgenbau. Kunstgeschichtlich rückt sie in die vorderste Reihe stauferzeitlicher Profanbauten. Palas, Bergfried und der Torturm mit Kapelle sind erhalten. Die Herren von Dürn, verdiente Gefolgsleute der Stauferkaiser und Schutzvögte des Klosters Amorbach, gelten als Erbauer der Burg, deren Entstehung auf um 1200 datiert wird. Am 4. Mai 1525 brannten aufständische Bauern die Burg nieder. Der „Helle Haufen“ – so nannten die Odenwälder Bauern ihre Kampfgemeinschaft im Bauernkrieg – wurde angeführt vom Ritter Götz von Berlichingen.

Garantiert einmalig sind zwei Museen im Odenwald. Bereits erwähnt habe ich das Elfenbein-Museum in Erbach. Ein anderes bedeutend kleineres Museum, von einem Verein ins Leben gerufen und betreut, ist das Drachenmuseum in Lindenfels. Im Haus Baur de Betaz können Sie am Wochenende und zu Feiertagen die großen und kleinen Drachen besuchen. Es lohnt sich. Und wenn Sie zuhause einen Drachen übrig haben, geben Sie ihn im Museum ab. Bestimmt ist in der Vitrine noch Platz für ihren ausgemusterten Liebling.

Jetzt fragen Sie sich, was haben Drachen mit dem Odenwald zu tun? Es ist die Geschichte des Recken Siegfried. Er, der einst den Lindwurm besiegte und im Drachenblut badete, ist überall im Odenwald gegenwärtig. Selbst zwei Bundesstraßen tragen seinen Namen und eine Siegfriedstraße besitzt wohl jedes Dorf oder Stadt im Odenwald. Auch streiten noch heute Heimatforscher und Kommunalpolitiker, wo diese Moritat anno … geschehen sein soll. Allein vier Orte nur im Odenwald erheben Anspruch darauf. Schon eigenartig, dass man sich mit einer Mordtat brüstet, um Geld zu verdienen. Naja, das menschliche Geschlecht …

Zum Schluss dieses Abschnittes präsentiere ich Ihnen noch garantiert ein einmaliges Flurdenkmal – einen sogenannten Verbotsstein. Es diente  als "Verkehrsschild“ und steht auf der Affolterbacher Höhe (als Kopie). Eine kleine Tafel erklärt: "Die Inschrift auf dem Stein lautet: L.R.B.Z. (Landsratsbezirk) Erbach

'Wer neber die Wandstein fährt und ohne Rathschuh rehmt, köst 1 Gulden 30 (Kreuzer), Straf 1831.'

Mit Wandsteinen sind Begrenzungssteine an der Straße gemeint. Der Fuhrmann wird aufgefordert, auf dem Weg zu bleiben sowie bei der Talfahrt einen Radschuh anzulegen. Der Einfachheit halber blockierte man meist die Hinterräder mit Hilfe einer Kette, ohne den vorgeschriebenen Radschuh - den eisernen Wagenreifen- zum Schutz der Straße anzulegen."

 

7.      Was noch im Odenwald interessant sein könnte

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Jetzt kommt es darauf an, wofür Sie sich interessieren. Das müsste eigentlich für alle Leser interessant sein: Im Telefonbuch steht der Familienname „Knapp“ in der Gemeinde Fürth 54 mal und in Waldmichelbach 51 mal. Der Name Knapp deutet eindeutig auf den Bergbau hin und im Odenwald wurde Bergbau betrieben. Wirklich interessant für alle „Knapps“ wäre jetzt zu erfahren, ob ein – nur ein Urahn den Namen weitergegeben hat oder ob es mehrere Bergleute, die „Bergknappen“ waren, diesen Namen und ihre Gene vererbten. Eine Gen-Analyse würde Aufklärung bringen. Alleine in den Gemeinden des Weschnitztales, in Abtsteinach und Waldmichelbach gibt es 153 „Knapps“ in den Telefonbüchern. Rechnen man die dazu, die nicht im Telefonbuch stehen und die Familienangehörigen, kommt man leicht auf 450 bis 500 Knapps. Das wäre ein feines Familientreffen. Worüber könnten Sie reden?

Ist doch klar: „Woher kam unser Urahn?!“

Vielleicht könnten die Knapps dann sagen: „Unser Urahn kam im 12. oder 15. Jh. aus dem Harz-Gebirge in den Odenwald.“

Aber bleiben wir erst einmal im Odenwald. Denn nachweislich gibt es seit der Zeit des Frankenkönigs Karl des Großen Bergbau im Odenwald. Unweit des Kapellenberges entspringt ein Bächlein, das früher einmal als Quelle der Weschnitz galt. Dort steht auf einer Tafel: „Anno 795 nennt das Lorscher Urkundenbuch dieses Bächlein an der Arezgrefte (Erzgruben) bei der Manoldescella (Walbg. Kap.) als eine Quelle der Visgoß (Weschnitz).“ Und damit wäre der Bergbau im Odenwald mehr als 1200 Jahre alt.

Was lockte Menschen, unter Lebensgefahr nach Erzen zu graben? Das war vor allem wohl  die Aussicht auf Reichtum und da stand Silber ganz oben auf der Liste. Während man Silber, Blei und Kupfer im Vorderen, im Kristallinen Odenwald fand, grub man im Hinteren, im Sandstein-Odenwald nach Eisenerz und später nach Mangan.

Reich wurden die Bergknappen nur selten, reich wurden die Fürsten, die immer den 10. Teil des Erlöses, den Bergzehnt erhielten. Kein Wunder also, dass selbst das Kloster Lorsch um 1000 n. Chr. ein Silberbergwerk bei Weinheim unterhielt.

Das Zentrum des Bergbaus im Hochmittelalter war der Harz. Als anno 1168 im Erzgebirge bei Freiberg reiche Silbervorkommen gefunden wurden, eilten Bergleute mit ihren Familien aus dem Harz ins Erzgebirge. Historiker nennen dies das „Erste Berggeschrey“. Und dass Bergleute immer auf der Suche nach reichen Erzgängen waren, zeigt noch heute die Sprachforschung auf. Sind doch im 16. Jh. Bergleute aus dem Erzgebirge wieder zurück in den Harz gegangen – immer auf der Suche nach den Reichtümern des Berges. Und noch heute sprechen alte Leute im Oberharz den Dialekt des Erzgebirges.

Und so könnte es sein, dass Funde von Silber im Odenwald auch ein kleines „Berggeschrey“ vollbracht haben. Und die Gen-Forschung könnte jetzt auch hier Licht in die Wanderungsbewegung der Bergleute über 1000 Jahre bringen.  Also liebe Knapps: auf zum Odenwälder Knapp-Treffen!

Welche Bodenschätze im großen Odenwald abgebaut wurden – das wollen Sie wissen?! Aber ich sagte doch schon: meinen "Kleinen Exkursionsführer" (besonders Teil II und III) lesen!

Noch heute gibt es im Odenwald Gebiete, in denen man die Spuren des Bergbaus nachweisen kann. Die in den Berg getriebenen Stollen sind längst verschüttet, aber die Einbruchstrichter auf der Oberfläche – Pingen genannt – findet man heute noch. Genauso wie eine typische Buckellandschaft.

 

Höhlen, die wir heute noch im Odenwald vorfinden, sind sogenannte Halbhöhlen. Sie spielen in der Sagenwelt des Odenwaldes eine besondere Rolle.

Hier die Beispiele:

 

1.  Sage vom Wildfrauhaus: „Es wird erzählt, dass hier zwei wilde Menschen, ein Mann und eine Frau gewohnt hätten, die viele kranke Leute kuriert haben sollen. Als der Mann gefangen wurde, soll ihm das Weibchen nachgerufen haben: ‚Sag alles, nur nicht, wozu die wilden Salben gut sind.‘" Die wilde Salbe oder Selbe ist der Salbei, eine Heilpflanze.

 

2.  Sage vom  Wildeleutestein (am Eichelberg): „ In der Halbhöhle am Wildeleutestein sollen einst magische wilde Leute gewohnt haben. Sie halfen dem Bauern im Dorf und bekamen dafür von ihnen Essen und Trinken, das ein Mädchen täglich am Waldrand abholte, um es noch vor Sonnenuntergang zu ihrer Familie zu bringen. Die wilden Leute aßen ihre Suppe aus einer schüsselartigen Vertiefung im Felsen, die heute noch auf der Oberseite der Felsgruppe zu sehen ist. Eines Tages, als das Mädchen nur noch verspätet das Essen für ihre Familie abholen konnte, war sie sehr traurig und sprach zur Bäuerin: ‚Morgen früh könnt Ihr mein Blut fließen sehen, denn die Sonne wird hinter den Bergen verschwunden sein, ehe ich unsere Höhle erreiche.‘ Und tatsächlich war am anderen Morgen das Wasser der Eichelbergquelle rot gefärbt. Die wilden Leute waren verschwunden und wurden nie mehr gesehen. Noch heute aber soll sich im Inneren der Höhle ein Schatz befinden, der von einem großem Hund bewacht wird, dessen im Dunkeln glühende Augen jeden abschrecken, der die Höhle betreten will.“

 

Und 3. wird vom Wildweibchenstein folgende Sage erzählt: ...“ dass hier in früher Zeit zwei wilde Kräuterweiblein in einer Höhle am Fuße dieses Felsens hausten. Des Öfteren wagten sie sich bis an den Ortsrand Laudenaus und erbaten sich Brot oder andere Dinge. Die Bauern, die freigiebig zu ihnen waren, fanden anderntags zur Belohnung silberne Löffel in ihrer Schublade. Am meisten beschäftigt hat die Leute aber der seltsame Spruch, den man die Weiber des Öfteren sagen hörte: ‚Wenn die Bauern wüssten, zu was die wilden weißen Haiden und die wilden weißen Selben gut sind, dann könnten sie mit silbernen Karsten hacken!‘"

 

Diese Menschen , „Wilde Leute“ genannt, waren Obdachlose des Mittelalters, die nicht als Bettler in den immer größer werdenden Städten leben wollten, sondern sich für Nahrungsmittel beim Bauern besonders in der Erntezeit verdingten. Die Frauen, die „Wilden Weiber“, sammelten Heilkräuter im Wald und auf der Wiese, wussten um ihre Anwendung, waren damit die Heilkundigen für die armen Dörfler. 

 

Quellen gibt es viele im Odenwald. Und noch heute stehen Odenwälder mit ihren Flaschen und Behältern und füllen reines Quellwasser ab. Und einige Quellen waren so berühmt, dass man in der vorchristlichen Zeit „Heiligtümer“ daraus machte. Mit der Christianisierung des Odenwaldes übernahmen fromme Christen die „Herrschaft“ über die heidnischen Quell-Heiligtümer und verwandelten sie zu christlichen. Sehr berühmt ist das Heiligtum von Neunkirchen. Die Sage erzählt: „An dieser Quelle soll eine Einsiedlerin um das Jahr 300 nach Christi Geburt sich im Urwald von dazumal niedergelassen und eine Heilkräftigkeit des Wassers entdeckt haben. Sobald sich das herumgesprochen habe, seien viele Leute gekommen, um dort Heilung zu suchen. Zwei arabische Ärzte, Cosmas und Damian, hätten ihr heilen geholfen. Aus ihrer Einsiedelei habe sich nach und nach eine Kapelle und später die Wallfahrtskirche entwickelt. Ob wirklich Heilungen geschahen oder nicht, ob es diese Heilige gab oder nicht, ob Cosmas und Damian hier waren oder nicht: Fest steht jedenfalls, dass seit urdenklichen Zeiten Neunkirchen ein Quellenwallfahrtsort war, und dass seine Kirche Cosmas und Damian geweiht ist. Diese Männer haben im Jahre 304 zu Äga in Kleinasien den Zeugentod für Christus erlitten.

Ihr Gedenktag fällt in die noch heute übliche Kirchweihzeit, und zwar auf den 26. September. In der katholischen Kirche werden sie als Heilige und Patrone der Ärzte, Drogisten, Apotheker, Bader, Hebammen und Friseure gefeiert. (Mit dem Wort ‚Cosmas‘ ist verwandt das Wort ‚Kosmetik‘.)“

Zum Abschluss meiner Saga möchte ich noch bemerken, dass Sie all das selbst bewundern, erleben, erwandern und erfahren können. Der Odenwald ist eines der schönsten Mittelgebirge in deutschen Landen – und das zu jeder Jahreszeit.

Im Frühjahr führt mich immer ein Ausflug entlang der badischen und hessischen Bergstraße. Mandelbäume und Obstbäume zaubern den Frühling auf die Hänge. In den feuchten kleinen Tälern des Odenwaldes gibt es Wiesen voll mit der gelben Sumpfdotterblume.

Im Hochsommer bei 30° C im Schatten bieten direkt hinter der hessisch-bayrischen Grenze, unweit des Limes zwei Seen ein Naturerlebnis pur. Nicht nur dass seltene Libellen, wie die Schwarze Heidelibelle, hier in großer Zahl angetroffen werden, dieses Stück Natur ist die Natur der Vergangenheit. Es erinnert mich an meine Kindheit, es scheint einsam und verlassen und ich hoffe immer, es möge so bleiben. Ich möchte es niemanden sagen, damit es „meine Seen“ bleiben und doch – wie Sie ja lesen – schreibe ich darüber. Nur wer solche Naturerlebnisse hat, weiß unsere Umwelt zu schätzen.

Im „Goldenen Herbst“ besuchen Sie die großen goldig in der Sonne leuchtenden Buchenwälder im Vorderen Odenwald. Von der „Juhöhe“ aus erwandern Sie die Hügelgräber der Schnurkeramiker. Und entgegengesetzt können Sie einen Blick in das gewaltige „Loch“, in den „Röhrig“-Steinbruch werfen. Hier nistet – wie auch in anderen Steinbrüchen des Odenwaldes – unsere größte Eule, der Uhu. Wandern Sie weiter und Sie kommen zu den Hundssteinen und zu den Opfersteinen. Schauen Sie sich diese kreisrunden Vertiefungen in den Opfersteinen an - und, was meinen Sie? Hat dies die Natur oder der vorchristliche Mensch geschaffen?

Im kalten, sehr kalten Winter lässt der Frost den „Fallenden Bach“ nahe der Ruine Rodenstein zu Eis erstarren. Sehenswert!

Hörenswert ist das "Stöhnen" und "Jammern" und das "Seufzen", wenn man den zugefrorenen Marbach-Stausee besucht. Man könnte meinen, die Geister der Seen beklagen ihr eisiges Los.

Und eines der schönsten Wintergedichte ist von Friedrich Güll, der über das Büblein auf dem Eis schreibt:

 

Gefroren hat es heuer

noch gar kein festes Eis.

Das Büblein steht am Weiher

und spricht zu sich ganz leis:

Ich will es einmal wagen,

das Eis, es muss doch tragen. -

Wer weiß?

 

Das Büblein stapft und hacket

mit seinem Stiefelein.

Das Eis auf einmal knacket,

und krach! schon bricht's hinein.

Das Büblein platscht und krabbelt,

als wie ein Krebs und zappelt

mit Arm und Bein.

 

O helft, ich muss versinken

in lauter Eis und Schnee!

O helft, ich muss ertrinken

im tiefen, tiefen See!

Wär nicht ein Mann gekommen,

der sich ein Herz genommen,

o weh!

 

Der packt es bei dem Schopfe

und zieht es dann heraus.

Vom Fuße bis zum Kopfe

wie eine Wassermaus.

Das Büblein hat getropfet,

der Vater hats geklopfet

zu Haus.

 

Wenn ich Sie neugierig auf den Odenwald gemacht habe, so freut mich das. Wenn Sie mehr wissen wollen, meine Homepage „Sagenhafter Odenwald“ informiert über Sagen, Ausflugsziele, über Burgen und Städte, über Landschaften und ihre Entstehung. Und wenn Ihnen Naturerlebnisse besonders zusagen, meine Homepage „Naturbeobachtungen im Odenwald und im Ried“ lädt Sie zum Stöbern ein.

 

                         Also – ein herzliches Willkommen!