Kinderseite Nr. 3 "Geisterschlacht"
"Geisterschlacht"
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von Joachim Größer (2007)
„Nun hilf mir doch mal!“, maulte Martin. Der, der helfen sollte, war sein älterer Bruder Anton. Doch Anton hatte keine Lust dazu. „Was glaubst du wohl, wer mir bei den Hausaufgaben geholfen hat? Niemand!! Mir wurde immer gesagt `Das sind deine Hausaufgaben – also mache sie auch!´ Und Martin, sind das nun meine oder deine Hausaufgaben?“
„Einen Tipp kannst du mir aber wenigstens geben. Es wird dir schon kein Zacken aus der Krone fallen!“, maulte Martin weiter.
Anton schielte zu Martins Hausaufgabenheft. Da stand groß gekritzelt: Heimische Sage nacherzählen.
„Bei dem Thema hast du Schwierigkeiten?“ Fast schrie Anton das heraus. „Wir haben schon soviel sagenhafte Stätten besucht, und du weißt nicht, welche Sage du erzählen willst?“
„Welche würdest du denn nacherzählen?“
„Na, diese z.B. - du kennst doch das Gedicht vom Heimatdichter Scheffel: Es regt sich was im Odenwald. Und durch die Lüfte hallt´s und schallt.“ Anton sah Martin erwartungsvoll an. „Na, wie geht's weiter, Martin?“
„Der Rodensteiner zieht um. Vom Rhein her ...“, zitierte Martin. „Weiter kann ich es aber nicht!“
„... streicht ein starker Duft. Der treibt den Alten aus der Gruft. Der Rodensteiner zieht um.“ Anton führte die Strophe zu Ende.
„An den Rodensteiner habe ich auch schon gedacht, aber wir sollen nicht diesen Dichter Scheffel zitieren, sondern die Sage mit eigenen Worten nacherzählen. Und die Sage einfach abschreiben dürfen wir auch nicht. Weißt du nun, warum ich nicht weiterkomme?“
„Das ist aber auch blöd!“, kommentierte Anton Martins Ärger. Dann kam ihm eine Idee. „Sag mal, diese Hausaufgabe hast du doch für Montag auf. Stimmst?“ Martin nickte und Anton sprach weiter: „Wir nehmen morgen Nachmittag unsere Fahrräder und fahren zur Burg Rodenstein. Dort kannst du alles auf den Tafeln nachlesen. Und wenn wir wieder zu Hause sind, erzählst du die Sage so, wie sie in deiner Erinnerung ist. Was hältst du von meinem Vorschlag?“
„Von der Radtour viel – von dem anderen gar nichts!“, maulte Martin weiter. „So eine blöde Hausaufgabe. Man sollte die Deutschlehrer, die sich das ausdenken, nicht Lehrer werden lassen.“
Froh – dank der Idee seines Bruders – Aufschub zu haben, packte Martin seine Schulhefte schnell in den Ranzen und verschwand nach draußen zum Spielen.
Anton war mit dem Ausgang des Disputes zufrieden. Hatte er doch ein schönes Ziel für die Radtour am Sonnabend.
Der Sonnabend versprach ein warmer frühsommerlicher Tag zu werden, nur dass die Brüder ihre Tour erst am Nachmittag antreten konnten. Vorher war Gartenarbeit angesagt. Da half kein Maulen, auch nicht das Argument „Das ist doch für meine Hausaufgabe!“ und auch nicht Antons Bestätigung. „Wenn ihr euch beeilt, habt ihr am Nachmittag mehr Zeit, klar?“, erklärte ihr Vater unnachgiebig.
Obwohl sie sich beeilten, wurde es spät, aber es war doch noch früh genug, um zur Burg zu fahren. Als sie abfahren wollten, hielt sie ihr Vater noch auf. „Hier Anton, steck das Handy ein. Wenn was ist, ruf an!“
Nun endlich hielt sie niemand mehr auf. Martin machte als der Jüngere das Tempo und er legte ein sehr gutes vor. Abgehetzt erreichten sie die vertrauten alten Gemäuer. Erwartet hatten sie viele Besucher, denn Burg Rodenstein galt als Touristenattraktion. Aber die ganze Burgruine gehörte ihnen allein.
„Dort Martin hast du deine Sage!“, rief Anton seinem Bruder zu.
„Ach, die läuft doch nicht davon“, erwiderte Martin. „Wollen wir noch zum Wasserfall und die große Runde fahren?“
„Kannst du denn noch?“, lästerte Anton. „Du siehst so mitgenommen aus!“
Statt einer Antwort bekam Anton die herausgesteckte Zunge präsentiert. Martin schwang sich aufs Fahrrad und fuhr schon los.
„Nun sei doch nicht eingeschnappt, Martin!“, rief Anton ihm hinterher, sich selbst nun mit dem Rad in Bewegung setzend.
Die große Runde hatte es ganz schön in sich. Zuerst ging es einen Trampelpfad mindestens 400 m steil bergauf – eine Strecke, die man nur im Schaukeltritt bewältigen konnte. Oben angekommen jagte man dann 500 m wieder steil bergab, um dann auf einer fast geraden Strecke verschnaufen zu können. Dieser Weg führte am Wasserfall vorbei, der aber jetzt den Namen „Fallender Bach“ nicht verdiente - ein Rinnsal statt eines Falles war das, was man sah. Das erste Grollen am Himmel versprach aber Änderung. Wenn diese schwarze Gewitterwolke ihr gesammeltes Wasser verliert, würde der Wasserfall wirklich Wasser fallen lassen.
„Ich schätze, wir werden heute noch tüchtig nass“, kommentierte Anton die Wetterentwicklung.
Jetzt traten die Brüder energisch in die Pedale. Der Weg zur Burg war eben, sodass sie die Burg noch vor dem Regen erreichten. Nun standen sie vor der Tafel, auf der die Sage vom Rodensteiner aufgeschrieben stand. Martin las laut, begleitet vom Donnergrollen.
„Lies sie noch mal!“, schrie ihm Anton zu. „Ich suche eine Möglichkeit zum Unterstellen!“
In einer Ruine, die nur noch Wände, aber keine Dächer hat, eine Unterstellmöglichkeit zu finden, ist verdammt schwierig. Endlich fand Anton einen Graben außerhalb der Burganlage, der mit einer festen Holzbrücke überdeckt war. Nicht groß war die Abdeckung, aber ausreichend, um zwei Jungen Schutz zu gewähren. Anton rannte zu Martin. Der las bereits zum dritten Mal die Sage. „Jetzt habe ich alles drin!“, erklärte er seinem Bruder und tippte sich an die Stirn.
Doch Anton hatte für Sagen und Martins Problem „kein Ohr“ mehr. „Los komm, nimm dein Rad! Wir kriechen unter die Brücke!“, schrie er und stürzte mit seinem Fahrrad davon. Ein lautes Zischen, so als wäre ein Blitz zur Erde niedergesaust, erschreckte Martin. Zuerst stand er – wie vom Blitz getroffen steif und stumm – dann, ein gewaltiger Donnerschlag löste seine Anspannung, rannte er seinem Bruder hinterher. Die Jungs schmissen die Räder auf die Erde und krochen unter die Brücke. Das war Rettung in letzter Sekunde. Der Himmel tat sich auf: Es schüttete Wasserfälle. Nach wenigen Minuten tropfte es zwischen den Balken auf die Jungs. Anton angelte nach seinem Fahrrad. In der Gepäcktasche befanden sich das Handy und eine Regenplane. Die Plane stülpten sie sich über den Kopf, Anton schaltete das Handy sein. Das Gespräch mit seiner Mutter wurde von atmosphärischen Störungen begleitet. Teilweise war das Gespräch ganz unterbrochen, dann wieder verstand Anton nichts, weil das Donnergrollen alles übertönte. Jetzt brach die Verbindung ganz ab. Noch einmal wählte Anton, aber auch diesmal verstand er nicht alles. Beim dritten Versuch verstand er soviel, dass sie ihren Schutz nicht verlassen sollen und dass ihre Eltern sofort losfahren, um sie mit dem Auto abzuholen.
„Was hat denn Mama noch gesagt?“, fragte Martin.
„Wenn ich das richtig gehört habe, gibt es ständig Unwetterwarnungen. Es soll langanhaltenden, wolkenbruchartigen Regen geben und Orkanböen. Feuerwehr und Katastrophenschutz sind bereits im Einsatz.“
„Verdammt!“, fluchte jetzt Martin. „Und das alles nur, weil meine Deutschlehrerin die Idee mit der Nacherzählung einer heimischen Sage hatte! Ich möchte die jetzt mal hier sitzen sehen!“
„Kannst dir das ja vorstellen“, antwortete ihm Anton feixend. „Bestimmt sagt sie dann: `Martin, du hast die Sage vom Rodensteiner gewählt! Gut, wir hören!´ Und du müsstest sie ja jetzt erzählen können, oder?“
„Na klar kann ich sie! Willst du sie hören?“
Und Martin schrie - mit dem Donnergrollen um die Wette - die Sage vom Rodensteiner hinaus.
Ein heftiger eisigkalter Windstoß pfiff von der Burgmauer her zu den Jungs, die unter der Brücke saßen. Aus einem Loch des Burgkellers formten sich Gestalten, die zu den Kindern jagten. Ein fürchterliches Rasseln und Poltern, dann ein Gebrüll, das durch Mark und Bein ging, erschreckte die Jungs.
„Der Rodensteiner!“, schrie Martin seine Angst hinaus. Und wirklich erkannte man einen Ritter in glänzender Rüstung, der auf seinem Pferd heranjagte.
„Wer hat mich gerufen? Wer? Wer? Wer?“
Meinte der Ritter Rodenstein nun Martin, der die Sage über ihn mehrmals laut vorgelesen hatte, oder war das Anrufen mit dem Handy und damit die Funkwellen der Auslöser? Zeit zum Nachdenken hatten die Brüder nicht. Der Ritter zügelte vor ihnen sein Pferd und grollte: „Wer mich ruft, der muss mit mir! Mit mir! Mit mir!“ Und in der nächsten Sekunde brüllte er: „Nehmt eure Pferde und folgt mir in den Kampf! In den Kampf! In den Kampf!“
Zwanghaft krochen die Jungs unter der Brücke hervor. Martin zog seine Regenplane aus der Satteltasche und legte sie sich um. Anton stand bereits so geschützt und hob die beiden Räder empor. Das alles ging ohne Worte vor sich. Es war ein solch mächtiger Zwang, dass dieser selbst den stärksten Willen brach. So wie die Brüder unter der Brücke hervorgekrochen waren, so brachen andere Gestalten aus den kleinen Maueröffnungen hervor. Wilde Kriegsgesellen, schwer bewaffnet, aber auch Reiter und eine große Meute Bluthunde stürmten gen Himmel. Noch standen die Brüder auf der Erde, doch der Rodensteiner ritt zu ihnen und brüllte: „Aufgesessen! Auf in die Schlacht! Wider den Grafen! Dem Hundsfott und Ehrabschneider! Auf in den Kampf! In den Kampf! In den Kampf!“
Im Soge des Rodensteiners schwebten die Brüder in die Luft, schwangen sich, als wären sie noch auf der Erde, auf die Räder und radelten hinter den „Wilden Jägern“ her. Rot glühte der Himmel, gewaltig war das Donnergrollen, gefährlich das tausendfache Blitzen und mitten in diesem Spektakel Anton und Martin. Die Hunde kläfften, die Reiter schrien, die Pferde wieherten, die wilden Gesellen schlugen mit ihren Schwertern an ihren Brustharnisch, der Rodensteiner brüllte wieder und immer wieder „Auf in die Schlacht! Wider den Grafen! Dem Hundsfott und Ehrabschneider! Auf in den Kampf! In den Kampf! In den Kampf!“ und auch die Jungs steuerten ihren Beitrag zu diesem Himmelsschauspiel bei. Martin betätigte seine Hupe und Anton klingelte laut.
Der Rodensteiner war einmal vorn, dann wieder trieb er die Letzten zur Eile an. Aber immer wieder brüllte er so gewaltig, dass man die Fensterscheiben in den Häusern klirren hören konnte. Die Dorfstraßen waren menschenleer. Jeder hatte sich vor diesem Unwetter in Schutz gebracht. Ja selbst die Autos fuhren nicht mehr, denn dem Fallen des Himmelswassers war kein Scheibenwischer gewachsen. Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet. Und dieser „Wilden Jagd“ gehörten diese zwei Menschenkinder an. Keiner der Gespenster nahm Notiz von ihnen, nur der Rodensteiner trieb sie zur Eile. Anton erkannte die Ruinen der Burg Schnellerts und dort stand auch das feindliche Gespensterheer. Und mitten hinein ging’s ins Schlachtengetümmel. Es war ein Schreien und Tosen, ein Bellen und Scheppern, ein Kreischen und Brüllen. Das gesamte Rodensteiner Gespensterheer trieb jetzt die gräflichen Herausforderer im Kreise vor sich her. Immer schneller und schneller wurde die „Wilde Jagd“. Berührten die Gespenster in ihrem Kampfeseifer die Baumgipfel - so knickten diese wie Streichhölzer. Einer alten Scheune entführte der Hauptmann des Feindesheeres sogar das ganze Dach und schmetterte es gegen die Angreifer. Doch Rodensteins wilde Gesellen lachten nur und rupften gleich mehrere Fichten und Tannen, die schon mehr als Hundert Jahre hier wuchsen, samt Wurzeln aus dem Erdreich und benutzten sie, um die Feinde zu schlagen. Doch der Schlimmste von allen war der Rodensteiner. Er brüllte und schlug mit dem Schwerte um sich. Er trieb seine Kämpfer zu Höchstleistungen und verspottete gleichzeitig den Feind.
Auf der Erde hatten nur wenige Menschen das Himmelsschauspiel verfolgt. Ein altes Mütterchen wehklagte: „Der Rodensteiner! Der Rodensteiner zieht mit seinem Heer! Das bedeutet Unglück! Krieg!?“
Doch ihren Wahrnehmungen glaubten die anderen Menschen nicht. Erst recht nicht, als sie später auch vom „Wilden Heer des Rodensteiners“ erzählte und feierlich verkündete: „Der Rodensteiner hat jetzt auch zwei Jungen mit Fahrrädern in seinem Heer! Ich habe sie gesehen, wie sie am Himmelsgewölbe geradelt sind. Ihre Umhänge flatterten und überall dort, wo der Kampf am heftigsten war, dort jagten sie mit dem wilden Rodensteiner! Es war fürchterlich!“
Die Schlacht war geschlagen! Der Feind besiegt! Der Rodensteiner sammelte seine Kriegsleute und mit dem Siegesgebrüll „Nach Hause!“ zog das gesamte Heer nach Westen zur Burgruine Rodenstein. Am Ende dieses Zuges radelten Anton und Martin, froh das Spektakel heil überlebt zu haben!
Jetzt sah man bereits die Ruine Rodenstein. Der Rodensteiner brüllte: „Ich lade ein zur Siegesfeier! Meine Gesellen erhalten Bier und Wein! Ein Ochse ist gebraten! Kommt zur Feier, meine Freunde und Kampfgefährten!“ Und als Erster verschwand er im Stein der Ruine, es folgten die Reiter samt ihrer Pferde, die Hunde und die Kriegsgesellen. Nur Anton und Martin fanden sich unter der Brücke wieder.
„Das möchte ich nicht noch einmal erleben“, stöhnte Anton. „So was Verrücktes haben wir ja noch nie erlebt! So schnell sieht mich der Suffkopp Rodensteiner nicht mehr in seiner Burg!“
„Ooch, so schlimm fand ich das gar nicht! Weißt du, jetzt kann ich meine Sage erzählen. Ich werde ...“
Hier wurde Martin unterbrochen. Das Handy klingelte und jetzt war die Verbindung einwandfrei. „Endlich habe ich eine Verbindung zu euch bekommen“, sagte ihre Mutter. „Wir sind in 5 Minuten bei euch. Das Unwetter hat aufgehört. Kommt ihr zur Straße? Wir warten auf dem Parkplatz!“
So endete das Abenteuer mit dem Rodensteiner und seiner „Wilden Jagd“.
Die Brüder krochen unter der Brücke hervor und gingen, ihre Räder führend, hinunter zum Parkplatz. Dort warteten bereits ihre Eltern.
„Seid ihr auch nicht nass geworden?“, fragte ihre Mutter zuerst. Aber Martin und Anton hatten den gesamten Geisterspuk völlig trocken überstanden. „Los kommt ins Auto, die Heizung ist an!“
Im Auto wollte Martin von ihrem Abenteuer erzählen, doch Anton stieß ihn an und flüsterte: „Horch mal auf die Nachrichten!“
Der Nachrichtensprecher sagte nämlich gerade: „Und nun hören Sie den ersten Lagebericht aus dem Zentrum des Unwetters!“ Und jetzt schilderte ein Reporter: „Ich befinde mich im Zentrum des Odenwaldes in der Nähe des Ortes Fränkisch-Crumbach. Das Unwetter kam vom Westen aus der Rheinebene und verharrte auf seiner östlichen Zugbahn über einem kleinen Territorium. Eine lokal begrenzter Wirbelsturm oder wie die Meteorologen sagen, eine Windhose, hielt mehrere Minuten die ganze Gegend in Atem. Man maß Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern. Solange das Unwetter tobte, solange konnten die Bewohner ihre Häuser nicht verlassen. Jetzt geht man daran, die Schäden festzustellen. Alle hoffen, dass keine Menschen getötet oder verletzt sind. Ein Bauer hat bereits gemeldet, dass das Dach seiner Scheune mindestens 50 Meter durch die Luft geflogen sei. Der Revierförster, sein Haus steht direkt am Waldrand, erzählte, dass der hundert Jahre alte Fichtenwald auf der Bergkuppe gefällt sei. Die gesamte Bergkuppe ist wie rasiert, nur noch Baumstümpfe stehen als Stoppeln. Und soeben erhalte ich die Meldung, dass innerhalb von knapp 3 Stunden 100 Liter Wasser auf den Quadratmeter gefallen sind. Das ist etwa das Doppelte des Niederschlages, der sonst in einem gesamten Monat fällt. Neben mir steht nun einer der ältesten Einwohner und er kann zu diesem Unwetter Sonderbares berichten. Nämlich, dass der sagenhafte Rodensteiner Auslöser des Unwetters sein solle. Ist das so Herr M.?“
Man hörte einen Mann sich räuspern und dann krächzte der Herr M. vor Aufregung ins Mikrofon: „Ja, so erzählt die Sage. Der Himmel wird blutrot und die wilden Spießgesellen des Rodensteiners ziehen von der Rodenstein zur Burg Schnellerts und dann auch wieder zurück. Und wenn der Rodensteiner mit seinem Geisterzug zu sehen ist, dann kommt Krieg! So sagt die Sage!“
„Nun, hoffen wir, dass die Sage sich mit dieser Ankündigung nicht bewahrheitet“, kommentierte der Reporter die Aussage des Alten.
Der Vater stellte das Radio leiser. „Habt ihr vielleicht den Rodensteiner gesehen, Jungs?“, fragte er lächelnd.
Martin hatte das „Ja!“ schon auf den Lippen, als ein Rippenstoß ihn doch schweigen ließ. „Leider nicht, aber ein fürchterliches Unwetter war das doch!“, antwortete dafür Anton.
Während Unterhaltungsmusik aus dem Autoradio klang, flüsterte Anton Martin zu: „Wenn wir nun wirklich den Rodensteiner geweckt haben, dann sind wir ja an dem Unwetter schuld!“
„Meinst du wirklich?“, flüsterte Martin zurück.
„Vielleicht ein bisschen – erfahren werden wir das nie!“
Für Martin war das Abenteuer damit noch nicht beendet. Am Sonntag schrieb er seine persönliche Nacherzählung der Sage vom Rodensteiner auf. Als Anton sie lesen wollte, packte sie Martin mit der Bemerkung „Das sind meine Hausaufgaben!“ schnell in den Ranzen.
Drei Tage später präsentierte Martin seinen Eltern stolz sein Deutschheft. Der Titel seines Aufsatzes lautete: „Wie ich die Sage vom Rodensteiner erlebte!“ Schön mit roter Tinte stand unter der Hausaufgabe: „Für Deine Erzählkunst gebe ich Dir eine Eins! Auch für Deinen Fleiß erhältst Du eine Eins! Morgen bekomme ich aber Deine Hausaufgabe nachgereicht. Sie lautete: Nacherzählung einer Sage aus der Heimat!“
Während sich Martins Eltern über den Text der Lehrerin wunderten, grinste Anton übers ganze Gesicht. „Typisch für Frau Paragra..!“
„Anton!“, fauchte seine Mutter und ihr Ältester fand es besser, den Spitznamen für seine und Martins Deutschlehrerin zu verschlucken.
Trotz des mahnenden Blickes seiner Mutter meinte Martin: „Ist trotzdem blöd! Sie liest meine Abenteuer mit dem Rodensteiner der ganzen Klasse vor, lobt meine Fantasie, erzählt dann, dass es ein schönes Beispiel ist, wie Sagen entstehen und sich verändern können und dann muss ich noch mal die Hausaufgaben machen. Das ist doch blöd, oder?“
„Lass gut sein, Martin“, erklärte Anton schmunzelnd, „ich helfe dir bei der Nacherzählung. Fangen wir gleich an?“