Kinderseite Nr. 3: "Die Fee"

"Die Fee"

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von Joachim Größer (2007)

 

Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne erwärmte die erwachende Erde und überall zeigte sich zartes neues Grün, das von Tautropfen benetzt, wie versilbert glänzte. Zwei Jungenbeine, in Gummistiefel steckend, schoben das noch kurze Gras beim Gehen leicht zur Seite.

„Aua! Pass doch auf du Grobian! Nun warte ich schon eine Stunde auf dich und du kommst zu unserem Treffen nicht nur zu spät, nein - du bringst mich noch um!“

Wie zwei erstarrte Säulen standen die Kinderbeine jetzt im Gras. „He! Wer spricht mit mir? Zeige dich!“ Die Kinderbeine bewegten sich vorsichtig weiter.

„Halt! Anhalten!“ Das Gras wurde erneut vorsichtig, jetzt mit den Fußspitzen bewegt. „Verdammt noch mal! Ich habe doch laut und deutlich gesagt: Du sollst stehen bleiben! Was bist du nur für ein Kind? Wegen dir fluche ich sogar! Weißt du, dass ich dafür bestraft werden kann? Also bleib stehen!“

Jetzt durchfühlten zwei Kinderhände das Gras. Und wieder ertönte die Stimme: „Ach, was bist du doch für ein Tölpel! Willst du mich nun mit deinen Händen umbringen? Siehst du mich denn nicht? Ich sitze doch direkt neben dir.“ Ein leises Lachen, das eher ein Kichern war, beendete den letzten Satz.

 Der Junge beugte sich zur Erde. Er starrte auf ein kleines grünes Wesen, das vergnügt lächelnd sich auf einem Blatt schaukelte. „Na, siehst du mich endlich, Anton?“ Jetzt lachte das grüne Wesen so laut, wie man es von dieser kleinen Person nicht erwartet hätte. „Hi, hi! Ich habe es dir auch etwas schwer gemacht, mich zu entdecken. Aber warte, gleich bin ich im grünen Gras sichtbarer.“ Das Wesen drehte an seiner recht langen Nase und vor Antons Augen veränderte diese Person sein Aussehen. Statt Grün schmückten jetzt alle Farben eines Malkastens das Männchen, das nicht größer als eine Hand war. Seine lange Nase wurde kürzer. Ein roter Hut, der das Aussehen eines Zylinders hatte, bedeckte das weiße Haar. Seine Jacke glänzte wie blauer Samt. Die Hose war aus grünem festem Tuch. Kurios sahen seine Schuhe aus. Sie waren aus braunem, feinem Leder gefertigt und ihre Spitzen bogen sich nach oben.

„Na, hast du mich nun genug angestarrt, Anton? Kann ich dir endlich die Botschaft unserer Fürstin überbringen?!“ Ein leises Kichern folgte diesem Anranzer.

„Sag mal, du Zwerg! Träume ich oder bin ich verrückt? Kannst du mir das sagen?“

„Ach papperlapapp! Träumen? Verrückt? Du bist völlig normal – bist höchstens ein ungehobelter Klotz! Hättest mich fast zertreten! Weiß gar nicht, warum gerade dir die Fürstin ihre Gunst schenkt!“

„Also, dich gibt es wirklich! Du bist so groß wie ein Däumling, kannst dein Aussehen verändern, bestimmt kannst du dich sogar unsichtbar machen und reden tust du wie ein Erwachsener.“

„Natürlich bin ich erwachsen! Wie kannst du so etwas sagen? Immerhin habe ich fast 300 Sommer erlebt. Du, du bist ein Küken! Hast heute deinen elften Geburtstag! Ich bin zweihundertsiebenundneunzig Jahre alt! Soll ich dir die Zahl wiederholen?“ Und das Männlein schrie mit schriller Stimme: „Zweihundertsiebenundneunzig! Merke sie dir!“ Und leiser sagte er dann, Anton prüfend anschauend: „Ich erwarte nämlich, dass du mich meinem Alter entsprechend mit großer Achtung behandelst.“

„Bitte, kleines Männchen, ich will dich weder verletzen oder gar töten. Auch habe ich nicht die Absicht, dich zu beleidigen oder zu kränken. Versteh mich doch, ich will nur wissen, was das alles

ist ..., du ein kleines Männlein, das sein Aussehen verändern kann. Dann die Botschaft von einer Fürstin? Ich weiß nicht mehr, was ist Wirklichkeit und was Traum!“

„Na ja, Anton. Dann will ich dich mal aufklären. Also, die Fürstin ist eine gute Fee. Aller 100 Jahre wählt sie einen 11-jährigen Jungen aus, um ihn ihre Gunst zu beweisen. Ich bin Kobolzo, und wie dir mein Name vielleicht verrät, bin ich ein Kobold und ...!“ Hier machte der Kobold eine lange Pause, um die nächsten Worte mal wieder lautstark herauszuschreien. „Ich bin neben der Fee die wichtigste Person im Fürstenreich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins!“

„Das ist aber eine komische Bezeichnung für ein Fürstentum, Kobolzo. Veralberst du mich etwa?“, fragte Anton, das Geburtstagskind.

„Nein! Nein! Das Fürstenreich ist groß und ihre Bewohner sind unermesslich reich an Gütern, die von keinem Menschen zu ersetzen sind. Unsere gute Fee herrscht über Luft, Wasser und Erde. Sie erhält euch Menschen das, was ihr Natur nennt.“ Laut stöhnend fügte er hinzu: „Leider wisst ihr das alles nicht zu würdigen. Ihr zerstört, zertrampelt und verunreinigt das, was euer Leben ist!“

„He, das stimmt aber gar nicht! Ich mache das nicht!“, protestierte heftig der elfjährige Anton.

„Jaaaa...“, dehnte Kobolzo die Antwort, „jaaaaa..., das weiß unsere Fürstin und deswegen hat sie dich ausgewählt!“

„Dass die Fürstin mich ausgewählt hat, hast du mir nun schon mehrfach verkündet. Aber wozu bin ich auserwählt?“

„Na, du hast die große Ehre, die Fürstin in ihrem Reich zu besu...“ Hier unterbrach Kobolzo nicht nur seine Rede, nein – er löste sich in ein grünes Nichts aus. Der Grund für dieses Verhalten war Antons jüngerer Bruder Martin. Dieser hörte unbekannte Geräusche und wollte wissen, woher sie kamen, denn sehen konnte er nur Anton.

„He, Anton“, fragte Martin, „was war denn das eben noch für ein bunter Klecks auf dem Boden? Sah ja bald aus, wie ein Mini-Clown. Und jetzt seh ich nichts mehr!?“

„Was?!“, ertönte es vom Boden. „Mini-Clown! Ich, ein Clown? Ich, der bedeutendste Kobold aller Zeiten! Ich, die linke und die rechte Hand unserer großmächtigen erhabenen Fürstin! Ich, der ich bereits zweihundertsiebenundneunzig Sommer und Winter erleben konnte! Ich, ein Mini-Clown – der Zweitwichtigste im Reich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins !“

Martin war erschrocken zurückgewichen und starrte gebannt auf den Boden. Dort, jetzt gut sichtbar für die beiden Brüder stand Kobolzo ganz in Grün und schrie seinen Zorn den Jungs entgegen.

„Was ist denn das für ein komischer Zwerg, Anton?“, fragte Martin erschrocken über den Wutausbruch des kleinen Wesens.

Anton erwartete nun einen neuerlichen Zornesausbruch des Kobolds, doch der jammerte nur: „O weh, das tut weh! Ich - ein Zwerg, ein komischer Zwerg!“

So, wie Kobolzo klein und grün auf der Erde hockte, seinen Kopf mit der mächtigen Nase hin und her schaukelnd, bot er einen jämmerlichen Anblick.

„Ich wollte dich nicht beleidigen. Nur, du siehst so ganz anders aus. Bitte verzeih mir, wenn ich dich gekränkt habe!“ Martin kniete sich vor Kobolzo hin. Der wich schnell zurück und fauchte: „Bleib mir vom Halse!“

„Ist ja gut, kleiner Mann“, beschwichtigte Martin und erhob sich. „Ich will mich doch nur bei dir entschuldigen.“

„Entschuldigung angenommen!“, bekam Martin zur Antwort. „Und trotzdem ...“ Es folgte eine lange Pause. Doch dann schrie Kobolzo erneut zornig: „Trotzdem kann ich jetzt wegen deines Erscheinens meinen Auftrag nicht erfüllen! Hach, was seid ihr auch für neugierige Menschen!“

Anton versuchte, Kobolzo zu beschwichtigen: „Sei doch nicht so zornig, lieber Kobold. Martin kann doch nichts dafür, dass er dich sehen konnte. Stimmt doch?! Du kannst doch trotzdem deinen Auftrag erfüllen. Ich bin schon ganz schön neugierig auf euer Reich und auf die Herrscherin. Ich gehe gern mit dir mit.“

„Ach Anton, du verstehst das nicht. Nun hat mich unsere Fürstin zum ersten Mal in meinem Leben, das nun schon zweihundertsiebenundneunzig Jahre zählt, einen wichtigen Auftrag übermittelt. `Bitte den Anton in mein Reich´, sagte sie und lächelte so gütig, das mir ganz warm ums Herz wurde. Sie sagte `Bitte den Anton in mein Reich´. Sie sagte nicht ´Bring auch den Martin mit.´ Bestimmt bekomme ich nie wieder einen solchen wichtigen Auftrag.“ Er sah so betrübt bei dieser Rede aus. Auch wackelte er heftig mit dem Kopf, sodass man befürchten musste, dieser würde vom Halse fallen. „Nur Auserwählte dürfen sich den Menschen zeigen. Und ich war auserwählt. Ich Kobolzo, ein einfacher Kobold – nicht die Wasserrose, nicht der mächtige Sturmwind, nicht der alles verhüllende Nebel – nein, sie hat mich kleinen unwürdigen Kobold gewählt. Und wie sie alle neidisch auf mich waren. Ach, war das ein Gefühl! Auch die 1000-jährige Eiche hatte sich Hoffnung gemacht und manche unseres Reiches glaubten gar, dass der große Bär, der sogar den Sternen seinen Namen gab, die Ehre erhielt, dich zur Fürstin zu bitten. Ach ja“, seufzte Kobolzo, „ich habe alles vermasselt.“

„Aber Kobolzo, ich komme einfach mit. Ich bin nämlich mächtig neugierig auf euer komisches Reich. Na, ist das nicht ein vernünftiger Vorschlag?“ Martin strahlte, doch Kobolzo verzog seinen Mund zu einer Schnute. „Vernünftig?! Was ist daran vernünftig? Keiner kommt ohne die Erlaubnis der Fürstin oder wenigstens mit der Einwilligung ihres Ehemannes in unser Reich.“

„Na dann frage sie doch, Kobolzo!“, rief Martin.

„Das werde ich wohl machen müssen“, antwortete ihm Kobolzo. Behänd schwang er sich von Blatt zu Blatt, kletterte in einer ungeheuren Geschwindigkeit von einem Strauch zu dem alten Apfelbaum und verschwand im Blütenmeer. Ein heftiger Windstoß bewegte das Gras und die nahen Sträucher, und er ließ die weißen Blüten des alten Baumes als Blütenschnee zu Boden rieseln.

„Hierher, ihr beiden Menschenkinder! Hierher!“

Anton und Martin bewegten sich vorsichtig in Richtung Apfelbaum, denn von dort kam diese Aufforderung. Dann sahen sie auch den Kobold, nun wieder vergnügt lächelnd.

„Ich soll dich fragen, Martin, ob du schon sieben Sommer gesehen hast?! Das will die Fürstin wissen. Also – hast du?“ Kobolzo schaute Martin fragend an. Doch der stotterte nur: „Wieso sieben Sommer? Warum soll ich Sommer gesehen haben? Ich bin schon acht Jahre und gehe in die zweite Klasse!“

„Ach du Dummbart!“, frohlockte Kobolzo strahlend. „Wenn du schon acht Jahre zählst, dann hast du bereits sieben Sommer gesehen! Somit kann unsere Herrscherin eine Ausnahme machen und du ...! Kobolzo vollführte einen für seine Größe gewaltigen Purzelbaum und kicherte froh: „Hi,hi! Und mir ist die Fürstin nicht böse! Hi,hi!“

Und weil seine Freude überschwänglich war, folgten mehrere Purzelbäume hintereinander, so schnell, dass die Brüder nur noch ein rollendes „Etwas“ sahen.

Völlig außer Atem zeigte er sich dann wieder in dem bunten Kostüm, das Martin als Clownkostüm bezeichnet hatte. „So, jetzt können wir laufen – oder wollt ihr lieber hüpfen – vielleicht auch auf allen Vieren euch vorwärts bewegen – oder wollt ihr gar auf dem Bauch kriechen? Ihr könnt auch fliegen! Auch das wäre möglich! Nun, äußert eure Wünsche!“ Kobolzo schaute schelmisch die Jungs an, wissend, dass sie mit seinen Fragen nichts anfangen konnten. „Nun, wie wollt ihr in unser Reich kommen?“

„Anton schaute fragend zu Martin. Der zuckte nur mit den Schultern. Und so antwortete Anton für beide: „Wir möchten so gehen, wie wir sind, Kobolzo.“

„Ach, das geht nicht, ihr dummen Menschenkinder. In das Reich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins gelangt man nicht als Mensch. Ich muss euch verwandeln.“

Der Kobold griff in seine linke Jackentasche und zog einen goldenen dünnen Stock hervor. Dieser Stock wuchs und wuchs und erreichte die dreifache Größe des Koboldes. „Na, das müsste reichen!“, murmelte Kobolzo und schwenkte den Stab. Wie der Stab durch die Luft fuhr, erstrahlte dieser so, als wäre das gesamte Sonnenlicht in ihm eingefangen. Kobolzo nickte zufrieden. Er machte jetzt ein sehr ernstes Gesicht, als er sagte: „Wählt ein Tier, in das ich euch verwandeln kann. Nur als ein Tier gelangt ein Mensch in unser Reich. So hat dies die Fürstin zum Gesetz erhoben., denn sie meint, nur als Tier wird der Mensch sich bewusst, dass seine Art sich aus dem Tierreich entwickelte. So, Jungs! Ein bisschen Beeilung mit eurem Wunsch. Uns bleibt nicht viel Zeit, um ins Reich zu kommen!“

Er hob den Stock, schaute Martin nochmals fragend an: „Nun?“

„Ich will aber ein Mensch bleiben!“, schrie jetzt Martin mit großen angsterfüllten Augen. „Ein Mensch! Hast du gehört – ein Mensch!“

Erschrocken über diesen Angstschrei rief Kobolzo beschwichtigend: „Du bleibst doch ein Mensch! Nur für den Eintritt in unser Reich musst du ein Tier sein. Glaub mir Martin, so ist es.“ Gütig blickte er Martin an. „Weißt du, ich bin eigentlich nur im Menschenreich ein Kobold. In unserem Reich bin ich ein Eichhörnchen, eine Biene, manchmal auch eine Blindschleiche oder ein Zaunkönig.“

Martin blickte Hilfe suchend zu seinem älteren Bruder. Der zögerte mit seiner Antwort. Dann meinte er betont forsch: „Martin, ich vertraue dem Kobolzo. Wir wagen es!“

„Fein, Anton!“ Kobolzo strahlte. „Welches Tier möchtest du sein, Anton?“

„Mmm, mach mich zum ..., zum Adler! Geht das?“

Statt einer Antwort berührte Kobolzo Anton mit dem Stock und murmelte eine Beschwörungsformel, die aber die Jungs nicht verstanden. Dann vollführte er dreimal eine kreisende Bewegung mit dem Stöckchen und nochmals tippte er Anton an.

Anton wurde ganz blass. Er krümmte sich zu Boden, breitete die Arme aus und Martin sah nun die komplette Verwandlung. Antons Kleider fielen zu Boden und in wenigen Sekunden wuchsen Federn. Martin schaute ängstlich und zugleich fasziniert auf diese Umwandlung. Anton war ein Adler, noch ein junger – aber ein stolzer Adler. Er hüpfte, noch etwas ungelenk, und versuchte sich mit seinen mächtigen Schwingen in die Luft zu erheben. Erst beim dritten Versuch gelang ihm dies. Er schwebte dicht über Martins Kopf hinweg und ließ ein „hieäää“ mehrmals ertönen. Martin hörte zwar das „hieäää“, aber sein Gehirn übersetzte: „Herrlich! Folge mir! Ich warte Martin!“

„Willst du jetzt auch, Martin?!“ Und Martin nickte betont energisch, damit seine noch immer vorhandene Angst verbergend, und schrie: „Ein Adler wie Anton will ich werden!“

Kobolzo vollführte also dasselbe Ritual an Martin und wenige Augenblicke später schraubte sich, den Aufwind nutzend, ein etwas kleinerer Adler in den blauen Frühlingshimmel. „Hieäää! Hieäää!“, ertönte es unüberhörbar. „Hieäää! Hieäää!“

Ein Hobbyornithologe suchte auf der Erde den Himmel nach den Rufern ab, schüttelte mehrfach den Kopf und starrte ... und starrte in den blauen Himmel. „Seeadler bei uns! Gleich zwei Exemplare! Das glaubt mir keiner! Aber das ist unverkennbar ihr Flugbild!“

Was der Ornithologe nicht sehen konnte, war ein kleiner Zaunkönig, der sich mit heftigen Flügelschlägen hinauf zu den Adlern schwang. Er verstand auch das Trillern des Zaunkönigs nicht. Aber die beiden Adler verstanden: „Ihr seid mächtig hoch geflogen. Ich bin ganz schön außer Atem. Kann ich mich auf deinen Rücken setzen, Anton?“ Keine Antwort abwartend setzte sich der Zaunkönig auf den Rücken des größeren Adlers und piepste: „Uff! Jetzt fliegen wir ins Reich der Fürstin, unserer guten Fee! Dort hinein in die helle Wolke! Dahinter liegt das Reich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins!“ Und für jedes menschliche Auge unsichtbar verschwanden die drei ungleichen Vögel in der Wolke.

Kaum waren sie in der Wolke verschwunden, umhüllte sie ein unwirkliches Licht. Alles war leicht verschwommen. Anton, der vorne flog, rief Martin zu: „Bleib dicht hinter mir. Sonst könnten wir uns noch verlieren!“

„Keine Sorge“, piepste Kobolzo, „nur noch wenige Flügelschläge und unser Reich liegt euch zu Füßen.“ Dann lachte er über seine eigene Aussage: „Hi, hi! Habe ich gesagt `zu Füßen´? Ich meine doch unter euch! Hi, hi!“

Und so war es. Die Wolke löste sich auf, strahlend blauer Himmel zeigte eine Landschaft, die den beiden Jungs bekannt vorkam. „Das ist unser Hemgesberg!“, schrie Martin. „Aber wo sind die Häuser, die Straße?“

„Sie sind nicht da und doch vorhanden!“, piepste der Zaunkönig. „Unsere Fürstin empfängt euch zu einer Zeit, in der die Menschen eure Heimat noch nicht besiedelt hatten.“

Die beiden Adler kreisten über dem Hemgesberg. Ihre lauten „hieäää– Schreie“ übersetzten die Gehirne der Jungs in die menschliche Sprache: „Dort ist der Bach, Martin!“ „Hier ragt unser Kletterfelsen aus dem Wald!“ „Anton, dort erkenne ich unser Sumpfloch. Das gab es also damals schon!“

Kobolzo mischte sich jetzt in das Gespräch ein: „Jetzt müssen wir landen! Dort die kleine Waldlichtung müsste auch für ungeübte Adler als Landeplatz reichen.“

Und Anton startete fast senkrecht zum Landen. „Halt!!“, piepste Kobolzo erschrocken. „So brichst du dir bestimmt einen Flügel. Folge mir!“

Der Zaunkönig schwirrte vom Rücken des Adlers und die beiden Greifvögel folgten ihm mit wenigen Flügelschlägen. Mitten auf der Waldwiese landete der Zaunkönig. Nur einen halben Meter entfernt purzelte Anton ins weiche Gras. Auch Martin schaffte keine gute Landung. Er landete auf dem Rücken seines Bruders und vollführte einen Purzelbaum, dass die Federn nur so flogen.

„Hi, hi! So eine verrückte Landung habe ich noch nicht gesehen!“ Kobolzo grinste. Er hatte sich in die Gestalt des Koboldes zurückverwandelt. Auch die beiden Adler verloren ihre Federn und im Gras lagen zwei nackte Jungs. Die alten Eichen und Buchen am Waldrand rauschten mit ihren Blättern und die Menschenkinder verstanden: „Willkommen im Reich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins! Willkommen im Namen unserer guten Fürstin! Sagt Martin und Anton, habt ihr euch auch nicht weh getan? Der Kobolzo hätte euch zu einer anderen Gestalt raten sollen.“

Kobolzo, so kritisiert, schimpfte: „Die Brüder wollten als Adler zu uns kommen! Ihren Wunsch habe ich erfüllt!“

Sichtlich beleidigt, drehte sich Kobolzo zu den Jungs um. „Kommt, wir gehen zum Empfang der Fürstin!“

„Kobolzo! Sollen wir so nackt, wie wir sind, zur Fürstin?“, fragte Anton erschrocken.

„Ja natürlich! So sehen nun mal Menschen aus!“ Kobolzo ließ seinen Unmut an den Jungs aus. Erst als die dickste Eiche zu rauschen begann und die beiden Kinder quasi eine Entschuldigung vernahmen, wurde Kobolzo wieder zugänglich. „Na ja, die Bäume können euch ja ein Kleid geben. Geht, stellt euch unter die Buchen oder Eichen!“

Anton rannte unter die dickste Eiche, Martin suchte sich eine dicke Buche aus. Die Bäume schüttelten ihre Äste und im Fallen der Blätter hörte Anton die Eiche flüstern: „Wenn der Kobold euch ärgern will, so weist ihn in seine Schranken!“

„Aber wie sollen wir das machen?“, flüsterte Anton zurück.

„Pfeift so laut ihr könnt. Das mag er gar nicht. Dann hört er mit seinen Späßen auf.“

Auch Martin sprach mit seinem Baum. Die Buche empfahl ihm und seinem Bruder, gut die „Augen und Ohren offen zu halten“. „Das, was ihr heute erlebt, dieses Wissen kann euch im Menschenreich von großem Nutzen sein“, sprach die Buche. Sofort wollte Martin wissen, ob sie dann auch als Menschen im Menschenreich die Sprache der Tiere und der Bäume verstehen werden. Die Buche rauschte die Antwort: „Vielleicht! Wenn du verstanden hast!“

Was Martin verstanden haben soll, erfuhr er allerdings nicht mehr. Kobolzo drängte zur Eile.

„Jetzt habt ihr eure Kleidung“, griente er. „Schön seht ihr nicht aus. Vielleicht hält euch die Fürstin für Waldungeheuer und verbannt euch auf immer und ewig!“

Martin bekam sofort große ängstliche Augen. Er betrachtete Anton in seinem grünen Blätterumhang und schaute dann an sich herunter.„Das kann sie nicht machen!“, klagte er. Sein Bruder tröstete ihn. „Martin, denke daran, Kobolzo ist ein Kobold, ein Schabernack. Lass dich nicht von ihm ins Bockshorn jagen!“ Und dann drehte er sich energisch zu Kobolzo um, der immer noch grienend im Gras saß, und knurrte ihn an: „Lass diese dummen Reden! Du machst meinem kleinen Bruder nur Angst damit! Hast du mich verstanden?!“

„Verstanden schon, nur ... ich bin Kobolzo! Ich kann und darf das! Hi, hi, hi!“ Kobolzo schlug vor Übermut einen gewaltigen Purzelbaum. Mit Antons Reaktion konnte er nicht rechnen. Der fuhr ihn an: „Und ich kann das!“ Anton steckte zwei Finger in den Mund und pfiff so laut, dass Kobolzo ganz blass wurde, sich die Ohren zuhielt und sich vor Schmerzen krümmte. „Genug! Genug!“, schrie er mit schriller Stimme.

„In Ordnung, mein lieber Kobold. Ich pfeife nicht mehr, wenn du aufhörst, uns zu ärgern!“ Kobolzo nickte sehr heftig mit dem Kopf und klagte: „Kobold-Ehrenwort! Auch wenn es wider meine Natur ist.“

Die dicke Eiche am Waldrand rauschte mächtig mit ihren Ästen und Blättern und die Jungs hörten sie sagen: „Gut gemacht, Anton! Dieses Ehrenwort darf ein Kobold nicht brechen. Sonst droht ihm eine lebenslange Verbannung aus unserem Reich!“

Fast tat dem Anton der kleine Kobold leid. Denn dass Kobolzo so hart für Späße bestraft werden sollte, das wollte er nicht. So meinte er: „Dein Kobold-Ehrenwort brauchst du mir nicht zu geben. Nur um eins bitte ich dich, mach dem Martin keine Angst.“

„Einverstanden!“, jubelte Kobolzo. „Ich verschone Martin und mache meine Späße nur mit dir.“

„Ach, wenn dir das Vergnügen macht, dann tu es. Angst einjagen kannst du mir sowieso nicht.“ Anton feixte jetzt, denn er glaubte, dass er bereits zu alt für die Späßchen des Koboldes sei und genau unterscheiden könne zwischen Wahrheit und Lüge.

„Kommt jetzt!“ rief Kobolzo. „Die Fürstin wird gleich erscheinen!“ Er schwang sich behänd von Halm zu Halm, von Blume zu Blume und war ein Strauch auf der Wiese, dann benutzte er ihn als eine Art Sprungbrett, um so eine große Strecke zurückzulegen. Martin und Anton mussten sich sputen, um diesen kleinen grünen Kerl nicht aus den Augen zu verlieren.

„Geschafft!“, pustete Kobolzo. „Hinter dem kleinen Hügel wird unsere gute Fürstin erscheinen.“

„Wie müssen wir sie begrüßen?“, fragte Martin aufgeregt. „In den Märchen verbeugen sich immer die Menschen vor den Fürsten und Königen.“

„Nein, Martin“, sagte Kobolzo verschmitzt lächelnd, „unsere Fürstin legt auf so etwas keinen Wert. So etwas haben die Menschen erfunden, sagt sie uns immer. Eine echte würdige Fürstin verzichtet auf solch primitive Unterwürfigkeit. Unsere Fürstin ist erhaben und mächtig. Eure irdischen Herrscher erzittern vor der Größe und der Macht unserer guten Fürstin!“

Kobolzo schwang sich auf einen Zweig und wippte hin und her. „Jetzt kommt sie!“, flüsterte er.

Gebannt schauten die Brüder auf den Hügel. Doch dort schritt keine wunderschöne Frau herab, kein Wesen, einem Menschen ähnlich, bewegte sich. Nur ein Dunstschleier verdichtete sich und formte sich zu einer Gestalt, die man mit nichts vergleichen konnte.

„Unsere Fürstin, unsere gute Fee!“, hauchte Kobolzo. Die Grashalme bewegten sich zur Begrüßung der Herrscherin leicht, die alten Bäume am Waldesrand rauschten mit ihren Blättern und die Vögel sangen ihre schönsten Lieder. „Unsere Fürstin!“, flüsterte Kobolzo und wies mit der Hand auf den Dunstschleier.

„Kobolzo, du wolltest mich doch nicht mehr veralbern“, sagte Martin. Enttäuscht darüber, dass die Fürstin eine Dunstwolke war, fügte er hinzu: „Wenn das eine Fürstin ist, bin ich der Kaiser von China!“

Dem Kobolzo blieb über Martins Dreistigkeit zuerst der Mund offen. Dann stammelte er nur erschrocken: „Ka.., Kai..., Kaiser ...“ Ihm schienen die Worte zu fehlen. So beendete er diesen Disput, indem er mit einer eindeutigen Handbewegung Martin zu verstehen gab, dass er nun nicht mehr mit Martin reden möchte.

Dafür hörten die beiden Brüder eine Stimme in sich. Tief in der Brust, im Herzen vernahmen sie die Fürstin: „Dass dem Kobold die Worte fehlen, das geschieht sehr selten. So möchte ich euch selbst begrüßen und in unserem Reich willkommen heißen.“

Jetzt begann Martin zu stammeln: „Du ... du eine Für... Fürstin!?“ Sein Gesicht begann zu glühen und vor Aufregung umklammerte er den Arm seines Bruders.

„Nenne mich Fürstin oder Fee. Andere nennen mich Wolke oder Dunst. Egal wie du mich nennst, ich bin immer in deiner Nähe, nur nicht so sichtbar wie jetzt. Du musst wissen, Martin, ich bin die Energie, die das Leben zeugt. Ich herrsche am Tag und mein Gemahl zur Nacht.“

„Sie sind die Sonne?“, rief Anton erschrocken aus.

„Und mein Gemahl ist der Mond“, antwortete ihm die Fürstin. Unsere vereinten Kräfte schufen das Leben auf diesem Planeten, den ihr Menschen Erde nennt.“

Erstarrt standen die Brüder und beobachteten ein Schauspiel, wie sie es in ihrem Leben nie wieder sehen sollten. Aus dem Dunstschleier formte sich eine strahlende Person. Alles an ihr schien pures Gold, alles erhellte und blendete, sodass die Kinder die Augen abwenden mussten.

„Nur wenige Menschen haben mich so gesehen“, sprach die Sonne. „Es waren Menschen im Land Ägypten, auch Menschen im fernen Südamerika, die sich Inkas nannten. Sie wussten von meiner Energie und verehrten mich als Gott. So nannten mich die Ägypter `Re´, die Inkas gaben mir den Namen `Inti´. Verberge ich mich hinter meinem Gemahl und verhülle so meine gewaltige Kraft, dann breitet sich Furcht auf der Erde aus. Die Vögel beenden ihr Lied, die Tiere des Waldes und der Steppe suchen Schutz, Menschen schauen gebannt in den Himmel. Stille tritt ein auf der Erde! Stille, die nur ich beenden kann! Schnell lernten Menschen schon vor Tausenden Jahren, dass ich die Jahreszeiten bestimme. Ich schmelze Eis oder lasse es wachsen. Ich speise Bäche und Flüsse oder lasse sie eintrocknen. Ich befehle den Wind, die Wolken, lasse Blitze zucken und Regen fließen. Ich bin das Leben! Ich gebe den Pflanzen, den Tieren und den Menschen Wachstum und Gedeihen – ohne mich gäbe es nur den Tod. Je klüger die Menschen wurden, um so mehr wollten sie von meiner Kraft wissen und sie für sich nutzen. Sie beobachteten meinen Lauf und bauten Steinkreise, sie schmiedeten mich golden in eine Scheibe und erklärten den noch Unwissenden meinen Lauf am Firmament. Sie widmen mir Lieder und Geschichten. Ich höre sie gern – die Lieder von der lieben Sonne oder ihre Märchen und Erzählungen.“

Gebannt hörten Anton und Martin der Sonne zu. Die Sonne ist die geheimnisvolle Fee, die gute Fürstin. Unter einer Fee hatten sie sich aber eine ganz andere Person vorgestellt.

Die Sonne, die die Gedanken der Brüder kannte, sprach zu ihnen: „Ich gab dem Kobold den Auftrag, mich Fee zu nennen. Wäret ihr mitgekommen, hätte Kobolzo zu euch gesagt: `Die Sonne ladet euch ein´? Auch einen Kobold gibt es nicht im Fürstenreich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins. So wie es auch dieses sagenhafte Reich nicht gibt. Ihr seid auf der Erde, im Reich der Pflanzen und der Tiere, der Wolken und des Windes, des Eises und des Wassers, des Tages und der Nacht. Ihr, Anton und Martin, seid in dem Reich, das den Menschen – euch – hervorgebracht hat. Der Mensch ist klug, mächtig und stark. Er kann Gutes und Böses vollbringen, Gedeihen oder Verderben bewirken. Um euch dies zu zeigen, habe ich euch in mein Reich, das auch euer Reich ist, geladen.“

Die Sonne wandte sich ab. Die Jungs hörten sie sagen: „Seht euch um in dieser Welt. Seht und begreift! Begreift die Zusammenhänge und zieht eure Schlüsse. Kobolzo wird euch führen. Bleibt, solange es euch gefällt.“

Die strahlende Sonne verblasste, löste sich auf in einen Dunstschleier, der sich über das Gras legte. „Vergesst mich nicht, Anton und Martin! Lernt und handelt!“ Der Dunstschleier hatte sich vollständig aufgelöst.

„Na, warum steht ihr da wie zwei erstarrte Steinsäulen?!“ Kobolzo saß in seinem grasgrünen Gewand vor den Brüdern und griente übers ganze Gesicht. „Jetzt seid ihr sprachlos!“

Sichtlich genoss er diese Situation. Anton hatte sich zuerst gefasst. „Kobolzo, was bist du denn, wenn du kein Kobold bist?“

„Doch, doch!“, sagte er, „Ich bin ein Kobold! Ihr Menschen habt mir diesen Namen gegeben. Ich bin ein Eichhörnchen, der Kobold des Waldes. Bitte verlangt nicht, dass ich mich zurückverwandeln soll. Ich hatte doch noch nie eine andere Gestalt. Und außerdem kann ich mich so besser mit euch unterhalten.“

„Kobolzo, was meinte die Sonne mit der Aufforderung `Lernt und handelt!´“, fragte Martin. Jetzt war der Kobold in seinem Element. Er redete und redete unaufhörlich, sodass sich Anton veranlasst sah, seinen Redefluss zu stoppen. „Heißt das – wenn ich deine gewaltige Rede zusammenfassen darf – du kannst uns die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zeigen.“

„Na, das sage ich doch die ganze Zeit“, sagte Kobolzo lächelnd. „Nicht umsonst gab mir unsere Fürstin diesen wunderbaren Stab.“ Er zog ihn aus der Jackentasche und ließ ihn auf eine solche Größe wachsen, dass er ihn kaum mehr halten konnte.

„Was möchtet ihr zuerst sehen?“ Kobolzo schaute die Brüder mit seinen braunen Knopfaugen an. „Na?!“

„Kobolzo, kannst du zeigen, wie unser Heimatgebirge entstand?“, fragte Martin.

„Nichts leichter als das“, antwortete der Kobold, schwenkte seinen goldenen Stab und murmelte wieder, wie bei ihrer Verwandlung, unverständliche Worte.

„Geht jetzt mit mir auf die Anhöhe. Dort seht ihr ein Panorama, das euch bestimmt gefallen wird.“

Behände schwang sich der Kobold von Halm zu Halm, von Zweig zu Zweig. Die Jungs folgten ihm. Außer Atem erreichten sie den Hügel. Vor ihnen lag eine völlig andere Landschaft. Vulkane spukten Lava, die Luft war von schwefelhaltigen Dämpfen gesättigt. Eine neue gewaltige Eruption schleuderte „Bomben“ aus dem Krater, die fast bis zu den Jungs flogen. Erschrocken wichen die zurück. Doch Kobolzo beruhigte sie: „Macht euch keine Sorgen. Es besteht eine unsichtbare Wand zwischen uns und dem `Schauspiel´!“

Und ein Schauspiel war es! Als wollte die Natur zeigen, welche Kräfte sie entfesseln kann, bebte die Erde so gewaltig, dass sich breite Risse und Spalten auftaten. Aus einer solchen Spalte direkt vor ihnen floss dünnflüssige Lava. Der gewaltige Ausbruch erhitzte die Luft so stark, dass sie in die Höhe gerissen wurde und es zur Ausbildung eines unwahrscheinlich heftigen Gewitters kam. Die Blitze zuckten tausendfach, der Donner grollte unaufhörlich und wahre Wasserfluten stürzten auf die heiße Lava. Es brodelte und zischte, Dampf stieg auf und versperrte den Brüdern den Blick auf diese Landschaft.

„Na, war das ein gelungener Vortrag?“, fragte Kobolzo stolz.

„Das war `Spitze´, Kobolzo. Ich hatte wirklich richtige Angst bekommen.“

„Du brauchst keine Angst zu haben, Anton. Unsere Fürstin hat diese Bilder `eingefangen´ und gespeichert. Sie weiß alles über diesen Planeten, den ihr Erde nennt. Sie könnte euch auch Bilder von anderen Planeten zeigen. Wollt ihr welche sehen?“

„Vielleicht später, Kobolzo. Ich möchte in die Zeit der Saurier reisen. Ja. Martin?“ Anton erwartete Zustimmung von seinem jüngeren Bruder.

Der nickte, betonte aber, dass er den nächsten Wunsch wieder aussprechen möchte.

Kobolzo zückte seinen goldenen Stab, Martin hatte ihn Sonnenstab getauft, und murmelte die Beschwörungsformel. Er schwenkte den für seine Größe riesigen Stab, wohl etwas zu heftig, denn der entglitt seiner Hand und fiel zu Boden. Rasch hob er ihn wieder auf und führte die unterbrochene Bewegung zu Ende.

„Uff!“, stöhnte der Kobold, „fast hätte ich ein Unheil angerichtet.“

Eine Antwort bekam er nicht von den Jungs. Die starrten fasziniert in die längst vergangene Zeit der Dinosaurier. Eine Landschaft erstrahlte unter einem blauen Himmel, die ihnen bekannt und doch fremd vorkam.

„Martin, schau dir mal die Pflanzen an. Die gibt es doch heute noch.“

Und Martin schrie: „Ich erkenne den Ginkgobaum und dort am Teich stehen doch Weiden und Pappeln!“

„Du hast recht Martin, auch unser Gras gab es bereits. Und am Horizont steht ein Baum wie die Eiche, die mir die Blätterkleidung gab.“

„Nur die riesigen Palmfarne gibt es nicht mehr“, antwortete Martin.

„Doch, es gibt sie noch – nur kleiner“, erwiderte Anton.

„Woher willst du das wissen!“, fuhr ihn Martin an.

„Na aus dem neuen Lexikon, du Dummerjan!“ „Bist selber einer!“, schrie Martin und wendete sich entrüstet ab.

Kobolzo erfreute sich an dem Streit der Brüder und stellte grinsend fest: „Zwei richtige Brüder seid ihr.“

„Na klar sind wir Brüder!“, giftete jetzt Anton den Kobold an. „Zeige uns lieber die Dinosaurier. Bisher haben wir doch nur Pflanzen gesehen.“

Und das stimmte. Kein Tier, weder klein noch groß, konnten sie erspähen.

Erschrocken über diesen Vorwurf sprang Kobolzo auf einen Ast, als könnte er von dieser Höhe die fehlenden Saurier entdecken.

Recht kleinlaut bekannte er: „Da ist mir ein Fehler unterlaufen. Ich glaube, das Herabfallen des Stabes hat diesen Fehler verursacht.“

„Dann schwenke doch noch einmal deinen Sonnenstab“, empfahl ihm Martin.

„Du hast recht, Martin. Ich mache alles noch einmal!“

Kobolzo sprang auf die Erde, zückte seinen goldenen Stab und konzentrierte sich auf die Beschwörungsformel. Heftig führte er die notwendigen kreisenden Bewegungen aus. „Geschafft!“, seufzte er erleichtert, als der erste Saurier aus dem lichten Wald auf die Wiese trat. „Nun kommen eure Saurier!“

Und wie sie kamen. Den Saurier, den sie zuerst erblickten, erkannten die Brüder sofort. Fünf Meter groß, auf den mächtigen Hinterbeinen sich bewegend, die verkümmerten Vorderbeine und dann der riesige Kopf mit den Zähnen, die scharfe, gesägte Kanten wie ein Steakmesser hatten – das konnte nur ein Tyrannosaurus sein.

„Wie aus meinem Bilderbuch“, flüsterte Martin und ergriff die Hand seines Bruders.

„Martin, über dem Teich siehst du die Flugsaurier“, flüsterte Anton zurück.

„Das sind keine Saurier“, erwiderte Martin, „es sind fliegende Reptilien. Hast du mir selbst vorgelesen.“

„Da, der Riese! Das muss der Quetzalcoatlus sein! Zwölf Meter Flügelspannbreite! Ist der gewaltig!“

Ein Aufschrei störte die Betrachtung. „Oh, je mi ne! Oh, je mi ne! Rette sich, wer kann!“ Kobolzo schrie und schrie. Der Grund seines Aufschreiens war ein mächtiger Ankylosaurus. Zehn Meter maß er bestimmt vom Kopf bis zur Schwanzspitze, an der mächtige Knochengebilde wie Keulen saßen. Gepanzert mit Platten und Dornen schritt er gemächlich auf die Brüder und den Kobold zu – nur, dass er von der falschen Seite kam.

Die Brüder und der Kobold stoben auseinander. Anton zerrte seinen Bruder hinter einen dünnen Baum, der aber als Schutz ungeeignet war. Kobolzo schlug gewaltige Purzelbäume und entkam so diesem gepanzerten Ungeheuer. Die Menschen und der Kobold schienen völlig uninteressant für den Saurier zu sein. Er stampfte ganz ruhig an ihnen vorbei. Jedes Aufstampfen seiner mächtigen Füße ließ die Erde leicht erschüttern.

„Uff, das war knapp!“ Kobolzo hüpfte zu den Jungs. “Dass wir mitten unter den Sauriern sind, muss mit diesem verdammten Herunterfallen des Stabes zu tun haben. Aber nun ist dieser Fleischberg ja weg. Jetzt können wir uns in Ruhe eure Saurier anschauen.“

Die Jungs blieben unter dem dünnen Baum stehen und genossen jetzt ein Schauspiel aus längst vergangener Zeit. Kaum hatte nämlich der Tyrannosaurus den Ankylosaurus erspäht, bewegte er sich vorsichtig auf den gepanzerten Riesen zu. Unvermittelt stürzte er dann auf den Ankylosaurus und riss ihm ein großes Stück Fleisch aus seinem Rücken. Wie scharf mussten seine Zähne sein, dass er die „Panzerung“ des Ankylosaurus knacken konnte. Doch der Angegriffene setzte jetzt seine Waffe ein. Er schlug mit seinem Keulenschwanz auf den Tyrannosaurus ein. Es wurde ein Kampf auf Leben und Tod. Die Brüder stierten gebannt auf dieses Schauspiel. Kobolzo schwang sich auf einen Ast des dünnen Baumes, um den Kampf besser sehen zu können. Fasziniert von diesem „Gefecht“ der Riesen vergaß er, wie die Menschenkinder, alles um sich herum. So erblickte auch keiner den Scaphognathus, der mit seinen scharfen Augen etwas Fressbares in dem Baum entdeckt hatte. Seine Beute sollte Kobolzo werden. Geschickt schnappte die Flugechse nach dem Kobold und erwischte auch sein grünes Gewand.

„Hilfe! Hilfe!“, schrie Kobolzo. „Zerbrecht den goldenen Stab! Zerbrechen! Zerbree...!“

Kobolzo war nicht mehr zu hören. Verdattert schauten sich die Brüder an. Mit so einem Unglück hatte keiner gerechnet. „Was nun, Anton?“ Mit großen ängstlichen Augen schaute Martin Hilfe suchend zu seinem größeren Bruder auf. „Was nun?“

„Wir bleiben erst einmal ganz ruhig und überlegen, was wir machen können.“ Ruhig war Anton aber keinesfalls. In seinem Kopf hämmerte es: Bleiben wir jetzt im Reich der Saurier?! Werden wir eine leichte Beute für den Tyrannosaurus?! Wie kommen wir zurück in unsere Zeit? Wie zurück?

„Martin, was hat Kobolzo geschrien?“, fragte er seinen Bruder, obwohl er den Kobold genau verstanden hatte. Kleinlaut antwortete ihm Martin: „Wir sollen den Sonnenstab zerbrechen, Anton. Aber wir haben ihn doch nicht.“

„Martin, wenn der Kobold das geschrien hat, dann hat er ihn nicht bei sich. Er kann ihn nur fallen gelassen haben. Also, müssen wir suchen!“

Sie suchten den Boden unter dem Baum ab, aber kein goldener Stab glänzte im dichten Gras. Martin begann sogar das Gras beiseitezuschieben, um besser die Erde zu sehen.

„Martin, das brauchen wir nicht machen“, belehrte ihn Anton. „Der Stab muss sehr leicht sein, denn sonst hätte ihn Kobolzo nicht schwingen können. Also muss er auf dem Gras liegen.“

„Vielleicht hat der Kobold Riesenkräfte und der Stab war ganz schwer“, erwiderte Martin.

„Überlege doch, Martin. Wenn Kobolzo Riesenkräfte hätte, dann hätte er sich auch gegen die Flugechse wehren können.“

„Hast ja recht“, pflichtete Martin kleinlaut bei.

Anton übernahm jetzt die Aufgabe des Organisators. „In dieser Richtung ist die Echse geflogen, also suchen wir diesen breiten Streifen ab.“ Er schritt etwas zehn Meter ab und befahl Martin, das Gras mit den Augen abzusuchen. Sehr langsam bewegten sie sich, um ja diesen verflixten goldenen Stab nicht zu übersehen.

„Martin, zehn Meter vor uns! Dort habe ich in der Sonne etwas glänzen gesehen!“, zischte Anton seinem Bruder zu. Martin kroch jetzt durch das Gras zu Anton. Auch Anton bückte sich. Ursache für dieses Verhalten waren die beiden Kampfmaschinen. Noch tobte der Kampf, nur das der Kampfplatz durch den Ankylosaurus in die Nähe der Jungs verlagert worden war. In einer Geschwindigkeit, die man diesem Fleißkoloss nicht zugetraut hätte, versuchte der stark blutende Ankylosaurus seinem Angreifer zu entkommen. Doch der Tyrannosaurus jagte ihm mit bluttriefendem Maul hinterher. Geduckt verfolgten die beiden Kinder das Spektakel. Immer näher kamen die beiden Kämpfer. Obwohl sie die beiden Jungs in ihrer Kampfeswut nicht wahrnahmen – der Tyrannosaurus wollte sein Fressen nicht verlieren und der Ankylosaurus nicht gefressen werden – zogen es Anton und Martin vor, sich vom Kampfplatz zu entfernen. Rückwärts krochen sie bis zu einem mannshohen Busch. Dahinter stellten sie sich.

„Weißt du noch die Stelle, wo der Sonnenstab gelegen haben könnte?“, fragte Martin.

„So ungefähr. Suche mal mit den Augen diese Stelle. Jetzt gute fünfzehn Meter von den Sauriern entfernt.“

Anton zeigte seinem Bruder die Richtung, aber seine Meterangaben konnte er vergessen. Die Kolosse näherten sich dem möglichen Fundort.

„Ich habe etwas glitzern gesehen, Anton! Du auch?“, flüsterte Martin. „Habe ich!“, bekam Martin zur Antwort. „Nur, was geschieht, wenn die Riesen den Stab mit ihren gewaltigen Füßen zerstören?!“

„Was willst du machen, Anton?“ Ängstlich klang die Frage. Auch in Antons Augen konnte man seine Angst sehen, als er trotzdem sehr mutig sagte: „Einer von uns muss die Saurier weglocken. Der andere holt den Stab und zerbricht ihn.“

„Was willst du machen, Anton?“

„Martin, das ist mir egal. Da du der Jüngere bist, suchst du dir aus, was du machen willst. In Ordnung?“ Anton kehrte den großen Bruder hervor. Das gab ihm die Kraft, um die schwierige Situation zu meistern.

„Wenn es dir recht ist, Anton, zerbreche ich den Stab.“ Anton nickte. Diese Antwort hatte er erwartet. Er hatte auch schon eine Idee, wie er die Saurier weglocken könnte.

„Gut, Martin. Bist du bereit? Wenn du glaubst, die Entfernung zu den Sauriern ist groß genug, dann rennst du los. Du musst dann alles alleine machen. Alles klar?“ Vor Aufregung ganz rot im Gesicht nickte Martin sehr kräftig mit dem Kopf.

Anton rannte geduckt los. Sicherheitshalber machte er aber einen großen Bogen um die Saurier. Doch die beachteten dieses kleine Wesen gar nicht. Der Kampf schien in die letzte Phase zu treten. Der Ankylosaurus wirkte bereits kraftlos. Sein keuleschwingender Schwanz hatte nicht mehr die Kraft, um seinen Gegner ernsthaft zu verletzen. Die stark blutenden Wunden zeigten an, wer der Sieger in diesem Kampf sein würde. Anton hatte inzwischen die beiden Saurier zwischen sich und Martin gebracht. Nun riss er Grasbatzen aus und schmiss sie zu den beiden Kolossen. Doch ignorierten diese die kleinen Geschosse. Auch als Anton näher kam und mit einem großen Stein den Tyrannosaurus traf, ließ der sich nicht von seinem Gegner abbringen. An einem Busch brach Anton nun hastig Zweige und Äste ab. Um sich größer zu machen, hielt er diese hoch und schwenkte sie mit lautem Gegröle hin und her.

Martin beobachtete diese Versuche aus sicherer Entfernung. Er sah, dass auch Antons letzter Versuch keinen Erfolg brachte. Fieberhaft überlegte er, was er machen könnte. Das Einzige, was ihm einfiel, war, seine Sichtdeckung hinter dem Busch zu verlassen und sich kriechend in Richtung Saurier zu bewegen. Bis auf acht Meter näherte er sich so den Sauriern. Er roch das Blut und glaubte, den heißen stinkenden Atem der Kolosse zu riechen. Jetzt reckte er den Kopf, um Anton sehen zu können. Das, was er sah, ließ ihn erschaudern. Anton hatte sich einen Knüppel gesucht und ging damit aufrechten Ganges auf den Tyrannosaurus zu. Er schwenkte ihn und schrie so laut er konnte. Bedrohlich nahe war er schon diesem vorzeitlichen Ungetüm gekommen. Er nahm seinen langen Knüppel und versuchte jetzt, den Tyrannosaurus am Schwanzende zu stoßen. Der reagierte prompt. Mit einer raschen Drehung suchte er den neuen Feind und schnappte mit seinen kräftigen Kiefern zu. Das Zerbrechen, besser das Zermalmen des Stockes hörte Martin und ließ ihn erschaudern. Trotzdem rannte er los. Jetzt musste er handeln! Aus den Augenwinkeln sah er noch, wie der Tyrannosaurus erneut nach Anton schnappte. In seinem Kopf jagte ein Gedanke den anderen: „Was macht der Saurier mit Anton? Wie kann ich helfen? Wo ist der goldene Stab?“

Da blitzte etwas golden! Martin stürzte zum Stab, ergriff ihn und zerbrach ihn. Ein gewaltiger Donnerschlag und der ganze Spuk war vorbei.

Martin lag mit geschlossenen Augen im Gras, die beiden Hälften des goldenen Stabes fest umklammert.

 „Hast du gut gemacht, kleiner Bruder!“ rief da eine Jungenstimme. „Das ist Anton, bestimmt ist das Anton!“, flüsterte Martin und öffnete vorsichtig erst ein Auge, dann das andere. Sein Bruder stand lachend über ihn gebeugt, streckte ihm die Hand entgegen und forderte ihn auf, aufzustehen. „Los, Martin! Wir müssen den Kobold suchen. Alles ist so wie vor der Zeitreise, nur unser Kobolzo ist nicht wieder erschienen.“

Hastig sprang Martin auf. Das Schulterklopfen „Hast du ganz toll gemacht!“ seines älteren Bruders machte ihm Mut für die nächsten Herausforderungen. Denn dass die Suche nach ihrem Kobolzo eine Herausforderung werden könnte, war sich Martin sicher. „Aber, wer mit Sauriern kämpft, schafft alles“, sagte er sich. Und stolz war er schon auf seinen Mut und die Besonnenheit, die er gezeigt hatte.

Die Jungs suchten die gesamte Umgebung ab, aber von ihrem Kobold war keine Spur zu finden. Hatte ihn die Flugechse vielleicht schon gefressen? Oder war er noch in der anderen Zeit? Darüber spekulierten die Brüder – aber ohne Ergebnis.

Martin hatte aber immer noch den zerbrochenen goldenen Stab, den Sonnenstab, in seiner Hand. Immer, wenn sie über Kobolzo sprachen, wurde der Stab ganz warm. Diese Beobachtung teilte er Anton mit. Nun untersuchten sie diesen Zauberstaub genauer. Dass er golden glänzte – nur das war das Besondere. Aber auch Anton fühlte, dachte er intensiv an Kobolzo, wie der Stab warm in seiner Hand wurde. Auch wenn er die beiden Hälften aneinander hielt, wärmte der Stab. Er sagte dieses dem Martin und auch der versuchte dieses Experiment.

„Diese Veränderung an dem Stab ist ein ganz wichtiger Hinweis“, meinte Anton und versuchte erneut, die beiden Hälften zusammen zufügen. Er hielt sie über dem Kopf, vor dem Bauch, verdrehte sie während des Berührens – aber außer der Wärme gab es keine Veränderung.

„Martin, jetzt nimmst du die eine Hälfte und ich die andere. Vielleicht müssen zwei diesen Zauberstab halten.“ Und Martin und Anton führten die Hälften zusammen. Die Hälften des Sonnenstabes begannen zu leuchten und verschmolzen zu einem Stab. Ganz warm wurde den Brüdern. Sie versuchten, den Stab fallen zu lassen, aber er schien mit ihren Händen eins zu sein. Erst als ein kleines grünes Wesen ihnen den Stab aus der Hand nahm, waren sie vom Stab befreit.

„Kobolzo!“, riefen die Brüder fast gleichzeitig. „Wo kommst du denn her?“

„Na von da oben!“, erwiderte Kobolzo lächelnd. „Ich war gefangen in der anderen Zeit, konnte euch aber Zeichen geben, wie ihr mich wieder befreien könnt. Und das hat ja prima geklappt.“

„Ach Kobolzo, war das ein aufregender Tag. Weißt du, dass Anton mit dem Tyrannosaurus gekämpft hat?“, plapperte Martin drauflos. Sofort schilderte er dem Kobold das ganze Abenteuer. Und als er erzählte, wie Anton begann, den Saurier mit einem Stock zu reizen, ergänzte Anton: „Und jetzt kam Martins Heldentat. Im richtigen Moment konnte er den goldenen Stab ergreifen und zerbrechen. Sonst wäre ich wohl eine kleine Zwischenmahlzeit für den Tyrannosaurus geworden.“

Kobolzo hörte den Brüdern lächelnd zu. Als sie ihre Schilderung beendeten, sagte er: „Dafür, dass ihr euer Leben für mich eingesetzt habt und dass ihr als wahre Brüder gehandelt habt – dafür hat euch unsere gute Fee belohnt. Ihr habt Zugang zur Klugheit und zum Wissen der Sonne. Als ihr beide die Hälfte des Sonnenstabes zusammen führtet, hat unsere gute Fürstin euch die Lebensenergie für große Taten mitgegeben. Klugheit und Wissen, Mut und Besonnenheit, Hilfe dem Bedrängten geben können Eigenschaften eures Charakters werden. Nutzt eure Möglichkeit gut, ihr mutigen Dinosaurier-Kämpfer!“

„Ach Kobolzo, das ist zwar gut von der Fee gemeint, also das mit dieser Lebensenergie. Nur könnte ich mich im Moment auf den Boden legen und sofort schlafen“, sagte Anton und Martin pflichtete ihm bei.

„Ja, das ist die wohlverdiente Erschöpfung nach eurem Kampf. Legt euch hin und schlaft. Ich bewache euren Schlaf.“ Kobolzo hüpfte auf einen Ast eines kleinen Baumes. „Legt euch hier hin. Das Gras ist weich und Schatten ist auch vorhanden.

Kaum hatten die Brüder sich hingelegt, als auch schon tiefe Atemzüge dem Kobold zeigten, dass seine Schützlinge schliefen.

 

„Anton! Aufwachen! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“

Anton öffnete die Augen. Irgendwie war die Welt verändert. War er nicht in der anderen Welt gewesen, im Reich der guten Fee, die nichts anderes als die Sonne war? Und Kobolzo, die Dinosaurier, der Kampf mit dem Tynnosaurus?

Er setzte sich im Bett auf, schüttelte sich und murmelte: Mannomann, habe ich einen Quatsch geträumt!“

„Du auch!?“, sagte sein jüngerer Bruder Martin. „Ich habe von einem Kobold geträumt und von einer Fee, die ...“ Hier unterbrach ihn Anton: „... die die Fürstin im Reich des Morgentaus, der Nebel und des Sonnen- und des Mondenscheins ist. Aber eigentlich nur die Sonne ist?!“

„Und von Sauriern!“, erwiderte Martin hastig.

„Ja, von Sauriern und von unserem gemeinsamen Kampf mit ihnen, von Kobolzo und wie wir ihn retteten.“

Anton schüttelte sehr aufgeregt den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein, dass wir beide den gleichen Traum gehabt haben! So etwas gibt es doch nicht!“

Er sprang aus dem Bett und forderte: „Los anziehen, Martin! Vielleicht war das gar kein Traum!“

„Kein Traum?! Das soll ich glauben?!“ Trotz seiner Zweifel kleidete sich Martin in Windeseile an. Sie gingen auf die Terrasse, aber alles sah so aus wie immer an einem sonnigen Frühlingsmorgen: Das Gras auf der Weide glänzte mit seinen Tautropfen in der Morgensonne. Das nahe Sumpfloch verbarg wieder die drei Rehe, die sich hier gern am Morgen aufhielten. Der Wald an dem Berg wurde von feinen Dunstschwaden umhüllt.

„Doch nur ein Traum“, murmelte Anton enttäuscht.

„Anton! Anton! Dort hüpfte etwas Grünes! Hast du das auch gesehen?