Wer hat recht?
Wer hat recht?
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von Joachim Größer (2013)
Klein-Hänschen kommt aus der Schule nach Hause. Bereits im Hausflur schreit er: „Mama, Kinder haben auch Rechte!“
Die Mama schaut verwundert auf ihren klugen Sohn. „Komm essen und erzähle!“
Und Hänschen erklärt seiner Mama, dass alle Kinder ein Recht haben, zu lernen. Sie müssen nicht arbeiten und dürfen spielen!
Und als das Hühnersüppchen gegessen war, wollte Hans, der Kleine, sein Recht einfordert. „Ich geh Computerspielen!“
„Nichts da!“, erwiderte seine Mama streng. „Du hast das Recht zu lernen und ich habe als Mutter die Pflicht, dir zu ermöglichen, dieses Recht auch wahrzunehmen. Ab – Hausaufgaben machen!“
Für Klein-Hänschen bricht fast eine Welt zusammen. Er, Schüler der 2. Klasse, war heute besonders aufmerksam im Unterricht. Schließlich wollte er alle Rechte, die die Kinder haben, auch kennenlernen. Und nun? Nun redet die Mama von Pflichten. Aber über Pflichten hatte doch die Lehrerin gar nicht gesprochen!
Wie ist das denn nun mit dem Recht und dem recht haben?!
Jetzt könnte man meinen, dass der Duden schon das richtige Recht vorgibt, denn „das Recht“ wird immer groß geschrieben, aber bei dem „recht haben“ empfiehlt der Duden die Kleinschreibung. Ist „recht haben“ weniger wert als „das Recht“?
„Das ist Quatsch“, meint Herr Dr. jur. Müller. „Obwohl ich das Recht studiert habe, hat meine Frau immer recht!“ Er lächelt und fügt hinzu: „Wir führen eine ausgezeichnete Ehe!“
Bei Wikipedia erfährt man:
„Recht meint im objektiven Sinn einen abgrenzbaren Teilbereich der Gesamtheit gesellschaftlicher Normen (→ Objektives Recht) und im subjektiven Sinn eine (sich aus dem objektiven Recht ableitende) Befugnis des Einzelnen (→ Subjektives Recht).“
Viel wurde da in der Online-Bibliothek zusammengetragen – zum Thema Recht. Z. B. dass das Wort „Recht“ aus der indogermanischen Wurzel „aufrichten, gerade richten“ entstanden ist, dass es „aus etymologischer Sicht moralisch konnotiert“ ist. (Zu Deutsch: mehrdeutiger Ausdruck)
Sagen Sie, muss man Einfaches kompliziert ausdrücken? Die deutsche Sprache hat für alles ein Wort – na ja, für fast alles. Für „Denglisch“ nicht! Spötter meinen, Denglisch ist die Sprache der „Halbgebildeten“. Ob diese Spötter da recht haben – oder kommen die jetzt mit dem Recht in Konflikt, weil sie eine Gruppe Menschen diskriminieren? Oder komme ich jetzt in Schwulitäten, weil ich zuerst die deutsche Sprache verteidige und dann selbst ein Fremdwort gebrauche?
Also – ich schließe jetzt mit dem Wort „Recht“ ab, denn im Duden gibt es die Wörter „Denglisch“, „diskriminieren“ und „Schwulität“. Und da der Duden diese Wörter in „Besitz hat“, sind sie richtig. Richtig = recht haben! Der Duden hat immer Recht! (So darf man laut Duden „recht haben“ auch schreiben!)
Das Wort „Recht“ ist ein uraltes Wort und wird so häufig gebraucht, wie „Brot“ oder „Fleisch“.
Und damit habe ich die Überleitung zum Recht der Stärkeren – denn das gilt im Tierreich. Der Stärkere frisst den Schwächeren und der Stärkste ist der Mensch. Er steht am Ende der Nahrungskette – er „frisst“ sie alle! Und das war ein göttlicher Auftrag, heißt es doch in der Bibel, Vers 28 des 1. Kapitels der Genesis: „Macht Euch die Erde untertan!“
Und da jeder Gott nicht nur gütig, sondern auch strafend sein kann, hat der Mensch den göttlichen Auftrag erfüllt - zum Wohlgefallen eines Gottes. Oder?
Na ja, als standfester Atheist habe ich zu Gott und „seinen Werken“ garantiert ein anderes Verhältnis, als es ein Gläubiger - egal welcher Religion er huldigt. Aber zu dieser Problematik haben die Preußen nicht nur den Deutschen, sondern der ganzen Weltgemeinschaft gelehrt, was es heißt, tolerant zu sein. Dem Friedrich II. von Preußen, genannt Friedrich der Große oder auch der „Alte Fritz“, sagt man den Ausspruch nach: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Und so lebten im Preußenland Protestanten (deutsche Lutheraner und französische Hugenotten), Katholiken, Juden und die Gottlosen friedlich nebeneinander. In Preußen wurde viele Jahrzehnte dieser Ausspruch eines absolutistischen Herrschers zum ungeschriebenen Gesetz und damit für Recht befunden.
Einer der größten Naturwissenschaftler aller Zeiten war Charles Darwin (1809 – 1882) – ein frommer Gottesmann. Und weil er wusste, dass seine Erkenntnis vom Werden und der Entwicklung des Lebens von der Kirche, von seiner Kirche angefeindet werden würde, veröffentlichte er sein gewaltiges Werk „Über die Entstehung der Arten“ erst nach vielem Zögern. Bis zu seinem Tode musste er mit Anfeindungen durch seine Gegner leben.
Immer hatte die Kirche recht gehabt – und nun kommt ein englischer Pfarrer und sagt, dass die Evolution der Motor der Entwicklung sei. Aber was richtig ist, setzt sich durch – auch in den obersten Kirchenkreisen. Die Evolutionstheorie wird zum „Gesetz“, denn sie definiert ja (unabhängig vom Menschen und seinem Wirken) die Naturgesetze. Nur muss der Mensch diese Naturgesetze erkennen und bereit sein, sie zu respektieren. Verstößt er wissentlich oder unwissentlich dagegen, hat er selbst das Nachsehen und kann sie entweder zukünftig zu seinem Wohle anwenden – oder er muss „abtreten“.
Dann gab es im 19. Jahrhundert ein paar besonders schlaue Menschen - so glaubten sie selbst - die Darwins Erkenntnisse über die Evolution auf die menschliche Gesellschaft übertrugen. Sie begründeten den sogenannten Sozialdarwinismus. So wie im Tierreich der Kampf ums Dasein die Schwachen durch die Stärkeren besiegt werden, so meinen sie, müsse dies auch im Menschenreich sein. Krieg wäre also nichts anderes, als die Vernichtung der Schwachen, der lebensuntüchtigen Völker, der Untermenschen. Und damit war dies die Geburtsstunde des Rassismus, den die deutschen Faschisten zur Perfektion trieben. Und heute gibt es auch noch Menschen, und nicht nur in Deutschland, die glauben, die Besseren zu sein. Und sie erheben sich über andere.
Ein Sprichwort sagt: „Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen.“ Wenn diese Leute wenigstens im Unterricht aufgepasst hätten, dann hätten sie hören können, dass alle Menschen dieser Erde aus Afrika stammen. Egal, ob der Mensch dunkelhäutig, von weißer oder gelblicher Hautfarbe ist, wir alle sind als moderne Menschen, als Homo sapiens, Afrikaner.
Und wenn diese Rassisten schon im Unterricht versagten, so sollten sie wenigstens das Bibelwort beachten, das von Adam und Eva als den ersten Menschen spricht. Und im übertragenen Sinne waren Adam und Eva dunkelhäutige Afrikaner. Weiße gab’s noch gar nicht!!!
Im Namen des Rechts wurden viele Kriege geführt. Immer ging es um Macht, um Land, um Bodenschätze. Am Ende eines Krieges galt immer das Recht des Siegers – und so ist es noch heute. Die 7 Milliarden Menschen dieser Erde sind (noch) nicht in der Lage, den Krieg zu ächten. Unter vielen scheinbar „humanitären“ oder „demokratischen“ Inhalten werden Kriege vorbereitet, angezettelt und geführt. Die Lobby, sprich der militärisch-industrielle Komplex der jeweiligen Länder, bereitet mithilfe der Medien und ihrer Politiker die Bevölkerung auf diese Kriege vor. Immerhin kann man im Krieg Milliarden verdienen. Was zählen da einige 10.000 oder einige Millionen Tote. Geld, Geld, Geld … zu verdienen – das ist das Recht in dieser kapitalistischen Gesellschaft. Ob sie sich als Soziale Marktwirtschaft oder als neoliberales Wirtschaftssystem ausgibt, es geht nur ums Geld. Und wie ist das dann mit dem Recht? Ein deutsches Sprichwort gibt die Antwort: „Gegen Kanonen gilt das Recht nicht.“
Wussten Sie, dass seit dem Bestehen der USA alle Präsidenten Krieg geführt haben! Und dass der gegenwärtige Präsident Obama als kriegsführender Präsident den Friedensnobelpreis bekommen hat! Sind solche Auszeichnungen gerecht? Ob das im Sinne des Herrn Nobel war!
Um wenigstens Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen einzudämmen, wurde 2002 der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag (Niederlande) gegründet. Nur scheint dieser Gerichtshof ein „zahnloser Tiger“ zu sein, denn von 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben nur 120 diesen Vertrag völkerrechtlich ratifiziert. Und wenn solche Staaten wie die USA und Israel den Vertrag nicht ratifizieren, dann unterschreiben z. B. auch Russland und der Iran nicht.
So ist das mit dem Recht. Bestimmt wäre es besser, die Staaten in die Pflicht zu nehmen. „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Dieses berühmte Zitat des preußischen Generals und Kriegstheoretikers Carl v. Clausewitz (1780 -1831) wird gern als Rechtfertigung für den Beginn eines „unvermeidbaren“ Krieges genutzt. Wie wäre es mit dem Vorschlag, dass die Führung eines Staates, die einen Krieg beginnt, sich sofort vor dem Internationalen Gerichtshof, vor der ganzen Weltgemeinschaft, zu verantworten hat. Und das ohne „Wenn und Aber“! Garantiert wären Kriege vermeidbar. Wetten …
Bestimmt hätten wir dann eine bessere Welt: keine Kollateralschäden, keine Waisen, keine Kriegsinvaliden, keine Flucht und Verfolgung!
Hat eigentlich nicht jeder Mensch dieser Erde das Recht auf Frieden? Ist das nicht ein Menschenrecht?! Wikipedia weiß viel – also nachlesen! Vielleicht lesen Sie mal selber den langen Artikel, das Recht auf Frieden habe ich nämlich nicht gefunden. (http://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechte)
Nehmen wir uns mal die Zeit und untersuchen eines der angeführten Menschenrechte etwas näher: z. B. das Recht auf Reisefreiheit. Wie steht es damit?
Im Jahr 2013 galt z. B.:
- Wer gut ausgebildet ist, mindestens Facharbeiterabschluss, besser Hochschulabschluss besitzt, ist in der BRD hochwillkommen. Die Wirtschaft braucht diese Leute! Wer arm ist, wird nicht nach Deutschland gelassen. Man will gegenwärtig das Schengener Abkommen nicht auf Bulgarien und Rumänien anwenden. Merke: Ein rumänischer Ingenieur ist also hochwillkommen, ein armer Roma nicht!
- Griechenland plante an der Grenze zur Türkei eine Mauer zu bauen, um Wirtschaftsflüchtlinge aus Nahost, die in den EU-Raum wollen, auszuschließen.
- Nordafrikanische Länder erhalten EU-Gelder und sollen dafür die Grenzen zu den schwarzafrikanischen Staaten besser sichern. Flüchtlinge sollen so bereits auf afrikanischem Boden abgefangen werden. Dafür wurde z. B. schon einmal Libyen in der Vergangenheit bezahlt.
- Die Grenze zwischen den USA und Mexiko (3.144 Kilometer lang) ist eine der am besten überwachten Grenzen. Ein Grenzzaun (erweitert auf 1.125 Kilometer) soll Wirtschaftsflüchtlinge, Drogen- und Waffenhändler aufhalten. Wikipedia: „Die Zahl der Menschen, die beim Versuch die Grenze illegal zu überschreiten sterben, wird auf 250 bis 500 jährlich geschätzt. Im Jahr 2010 starben alleine 253 Menschen, die versuchten die Sonara-Wüste im südlichen Arizona zu durchqueren.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Grenze_zwischen_den_Vereinigten_Staaten_und_Mexiko)
Auch hier bestimmen wirtschaftliche Interessen den Mauerbau und damit auch im freiesten Land der Freien Welt: keine Reisefreiheit. Ökonomische Interessen bestimmen das Recht auf Reisefreiheit.
Und wie war das dann mitten in Europa im Kalten Krieg, als sich zwei verfeindete Gesellschaftssysteme und damit auch zwei riesige Militärblöcke gegenüberstanden. Wie war das mit der Reisefreiheit zwischen der DDR und der BRD?
Da gab es ja auch eine Mauer! Historiker und Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig, hätte die DDR nicht 1961 massive Gegenwehr ergriffen, sie hätte den Exodus an Menschen als Staat nicht überlebt. Propaganda, massive gezielte Abwerbung – das waren im Kalten Krieg angewandte und erprobte Methoden, um den Gegner zu vernichten. So verließen z. B. an einem einzigen Tag (am 3. 4. 1961) 5.200 Menschen die DDR in Richtung Westberlin. Nun rechnen Sie mal: 1 Facharbeiter kostete dem Staat zwischen 20.000 und 30.000 Mark. Ein Hochschulabsolvent kostete zwischen 40.000 und 120.000 Mark - je nach Studienfach. Studieren war in der DDR kostenlos und jeder Student erhielt ein angemessenes Stipendium.
Die Ökonomie beherrscht alles – auch die Reisefreiheit. Unter diesem ökonomischen Gesichtspunkt ist auch zu verstehen, warum Kuba vor Kurzem die Reisefreiheit einführte und sie zugleich für Hochschulabsolventen ausschloss. (Kuba hat z. B. das beste Gesundheits- und Bildungssystem von ganz Lateinamerika.) Seine Hochschulabsolventen wären im Ausland hochbegehrt – nicht aber die „Reinemachefrau“. So ist das mit der Reisefreiheit. Es geht immer ums Geld! Und ob eine „gekaufte Mauer“, eine elektronische oder eine echte Mauer „gut“ oder „böse“ ist, hängt immer von den jeweils Herrschenden ab. Entsprechend ihrer politischen Ziele wird die Rolle der Mauer dann dem Volk von den Mächtigen als „gerecht“ oder „ungerecht“ serviert.
Und so komme ich noch einmal auf Klein-Hänschen und seine Rechte zurück. Es ist immer besser, dem Menschen sowohl seine Rechte, als auch seine Pflichten aufzuzeigen. Keine Gesellschaft funktioniert, wenn einige nur ihre Rechte kennen und die Pflichten anderen aufbürden. So strichen die Bänker die Gewinne ein und bei Verlusten schrie man nach der Allgemeinheit: „Hilfe, wir gehen pleite! Der Staat muss uns mit Steuergeldern retten!“ Und der Staat rettete die armen Millionäre, damit diese weiter Geld verzocken können! Wer regiert denn dann eigentlich den Staat? Gewählte Volksvertreter?
Eine friedliche und solidarische Gesellschaft – wäre das nicht ein erstrebenswertes Ziel? Das wäre doch die Pflicht für alle vom Volke gewählten Politiker, dieses Ziel zu verwirklichen!
Und das solch solidarische Gesellschaft auch im Mutterland der „Geldwirtschaft“ möglich ist, bewiesen die Schweizer auch mit ihrer Volksabstimmung über die „Boni“ und „Begrüßungsgelder“ der Manager. 68 % der Schweizer wollten eine Begrenzung – und nun wird’s zum Gesetz.
Wer hat’s gemacht? Nicht die Deutschen!!!
Und nun muss ich nur noch Sie fragen: „Habe ich recht oder ist mein Geschreibsel unrecht? Und wie halten Sie es mit dem Recht und dem recht haben?
PS: Nachdem Klein-Hänschen seine Pflicht, die Hausaufgaben zu erledigen, erfüllt hatte, erhielt er das Recht, am Computer zu spielen. (Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“.)