Nachgedacht über ...
Die Dummheit
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von Joachim Größer (2016)
Die Dummheit kennt doch jeder. Bestimmt hat schon ein jeder die eigene Dummheit verflucht. Und weil die Dummheit allgegenwärtig ist, gehört sie auch zum kulturellen Erbe und entäußert sich in den Sprichwörtern. Hier nur eine kleine Auswahl:
- Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.
- Die Dümmsten sind überall die Schlimmsten.
- Wer kein Gehirn hat, habe Beine.
- Die Dummen machen immer wieder die gleichen Torheiten, die
Klugen immer neue.
- Das Glück ist der Dummen Vormund.
Bestimmt kennen Sie noch weitere Varianten, die die Dummen aufs Korn nehmen.
Interessant ist, dass Menschen in allen Kulturkreisen ihre Mitbürger in Dumme und Kluge eingeteilt haben. Kein Wunder also, dass selbst in der Online-Bibliothek Wikipedia eine lange Seite der Dummheit gewidmet ist. Und definiert klingt „Dummheit“ dann so: „Dummheit bezeichnet umgangssprachlich eine törichte Handlung sowie einen Mangel an Intelligenz oder Weisheit. Im Unterschied zu anderen Bezeichnungen, die auf Mangel an Intelligenz hinweisen, bezeichnet Dummheit (alltagssprachlich) aber auch die Einstellung, nicht nur etwas nicht wahrnehmen zu können, sondern auch es nicht wahrnehmen zu wollen.“
Wichtig ist anzumerken, dass auch Kluge sehr dumm sein können. Und wenn man die eigene Klugheit so sehr herausstellt, dann zeigt derjenige zugleich seine große Dummheit.
Da spricht doch der kluge Papa (oder die kluge Mama) zum Erstklässler Klein-Fritzchen: „Wieso kannst du 8 + 5 nicht rechnen?! Ach bist du dumm!“ Und wenn das die „klugen“ Eltern Klein-Fritzchen noch häufiger sagen, dann glaubt das der kleine Fritz und wird zeit seines Lebens die Mathematik hassen.
Er könnte ja jetzt seine Eltern dumm aussehen lassen und sie auffordern, eine einfache Abituraufgabe zu lösen – z. B.: „Zeichnen Sie ein Diagramm, in dem Sie geeignete Werte gegen die Kapazität C auftragen, sodass sich eine Gerade ergibt. Ermitteln Sie aus deren Steigung einen Wert für L.“ (aus: Landesabiturprüfung Physik 2012 Hessen)
Nun maulen Sie nicht, liebe Eltern. Klar ist die Aufgabe aus der Aufgabenreihe gerissen, klar auch, dass Ihre Schulzeit lange zurückliegt. Sie verlangen Rücksicht, aber was ist mit Klein-Fritzchen?! Er hat doch nur 10 Fingerchen und das Überschreiten der 10 ist für ihn so schwer, wie für Sie die Abi-Prüfungsaufgabe. Das Überschreiten der 10 verlangt hohe Abstraktion. Vielleicht ist Klein-Fritzchen in seiner Entwicklung noch nicht soweit? Bestimmt braucht er Hilfe – anschauliche Hilfe. Dann „leihen“ Sie ihm doch 3 Ihrer Finger und aus dem dummen Klein-Fritzchen wird der kluge Fritz.
Kluge Lehrer haben früher den Eltern in den Elternversammlungen pädagogische Hilfe angedeihen lassen. Sie mussten Aufgaben Ihrer Sprösslinge rechnen, wie es der Lehrer im Schulunterricht vorgab. Ja, Sie haben recht – dass kann man nicht all die 10 oder 12/13 Jahre durchziehen. Aber: „Was Fritzchen nicht lernt, lernt Fritz nimmermehr!“
Das heutige Bildungs- und Schulsystem entstammt der Kaiserzeit. Als Bismarck im 19. Jh. Kanzler war, war dies garantiert fortschrittlich. Heute, im 21. Jahrhundert ist es antiquiert.
Moderne Pädagogik geht davon aus, dass jeder Schüler als Individuum einmalig ist und demzufolge auch so gefordert und gefördert werden müsste. Egal ob der Heranwachsende geistig behindert ist oder hochbegabt, erkennt man sein „Plus“ und sein „Minus“ in seiner Entwicklung, so kann man ihm sehr gezielt helfen. Aber um solch ein Bildungssystem aufzubauen, braucht man viel Geld, viele bestens ausgebildete Lehrer und viele verantwortungsbewusste Schulpsychologen!
Über eine alte Weisheit brauchen Sie nicht nachdenken. Sie ist seit Jahrhunderten erforscht und kluge Eltern und Lehrer wenden sie seit den Winkel- und Klippschulen des Mittelalters an: „Lobe mehr als du tadelst!“
Und wenn Sie jetzt denken: „Das ist doch Quatsch – nur mit Härte erzieht man Männer!“, so sind Sie ein Macho, und zwar ein dummer. An der Volkshochschule gibt es bestimmt noch Kurse für „schwer erziehbare Väter“. Nun gehen Sie schon, beweisen Sie, dass Sie ein guter Vater, ein guter Erzieher werden möchten. Macho war gestern – Bildung ist heute angesagt.
Wissen Sie, was mir gerade einfällt, weil ich so schlimm über das herrliche Männergeschlecht herziehe: Dumm ist mit dämlich verwandt. Und dämlich kommt doch von Dame – oder? Der Duden meint: „däm|lich (ugs. für dumm, albern)“. Nun muss ich noch Wikipedia fragen, was die Online-Bibliothek von der „Dämlichkeit“ hält. Und dort lese ich: „Das Sprichwort ‚Herren sind herrlich, Damen sind dämlich‘ assoziiert Frauen mit dem Adjektiv dämlich, obwohl ‚dämlich‘ auf niederdeutsch‚dämelen‘, d. h. nicht recht bei Sinnen, zurückgeht und nichts mit der Etymologie von ‚Dame‘ zu tun hat.
Sehen Sie, so kann man sich täuschen! Bildung ist angesagt!
Und noch etwas dürfen Sie nicht mehr sagen: „Dummes Huhn!“ Nun könnten Sie anmerken, Hühner waren schon immer dumm. Wissenschaftler meinten früher, das kleine Vogelgehirn reiche nicht für Intelligenz, auch nicht für ein bisschen. Die klugen Rabenvögel haben bewiesen, dass sie sogar ein „Ich-Bewusstsein“ entwickelt haben. Gut – Raben sind klüger als das dumme Hühnervolk; so könnten Sie jetzt meinen. Aber ist diese Hühner-Verhaltensweise dumm? Urteilen Sie!
Da haben doch Verhaltensforscher festgestellt, dass ein Hahn, wenn ein Habicht oder ein anderer Greifvogel nach Beute Ausschau hält, der Hahn, der den Feind ausgespäht hat, nicht immer seinen Warnruf, sein „Kikeriki!“ erschallen lässt. Ist nämlich ein anderer Hahn in der Nähe, ein Konkurrent bei der Damenhühnerwelt, so hält der Hahn den Schnabel.
Ist das nicht ausgekocht, nicht gerissen?! Zeugt das nicht von (männlicher) Klugheit! „Habicht hole den Nachbarn, seine Hühner hole ich mir!“ Der Kluge vergrößert so seinen Hühner-Harem; der Dumme hat das Nachsehen und dient als Hauptspeise.
Ach ja, die Männlichkeit. Wenn der Testosteron-Spiegel steigt, wird häufig aus einem klugen Mann sehr schnell ein sehr dummer. Diese Erscheinung kann man bereits ausmachen, wenn der Knabe zum Jüngling wird. Mit Beginn der Pubertät verändert sich auch das Verhalten der Jungs rapide. Hier kann ich mich als handelndes Subjekt zur Verfügung stellen.
Vor langer, langer Zeit trafen sich die 13/14-jährigen in einem kleinen Wäldchen. Dieses Waldstück lag zwischen der Kleinstadt (zu der ich gehörte) und einem benachbarten Bauerndorf. „Wem gehört der Wald!“ grölten so 20 bis 30 Jungen. Das Grölen klang furchtbar, waren doch die meisten im Stimmbruch. Und die Antwort kam von zwei Seiten: „Uns!“ Und dieses „Uns!“ war der Auftakt zu einer Prügelei. Mit Stöcken fochten wir miteinander. Blaue Flecken und Tränen in den Augen gehörten zum Kampf. Aber wir waren „Männer“ und da wir meistens siegreich „unser“ Wäldchen verließen, waren wir glücklich und zufrieden. Als ich dann so um die 40 war und dieses Wäldchen betrat, dachte ich oftmals: „Mein Gott waren wir dumm. Was hätte nicht alles passieren können?!“ Und wenn ich heute auf meine Pubertätszeit zurückblicke, sage ich: „Was hatte ich für eine herrliche Kindheit!“
Und wenn ich nun ein Resümee ziehe, muss ich 1. feststellen, dass „Dummheit“ relativ und nicht absolut ist. Und 2., dass es stimmt, dass Männer im Alter wieder ...
Ach ja die Dummheit; vor niemandem macht sie halt. Der „Dumme August“ im Zirkus verdient sich mit seiner gespielten Dummheit das Lachen des Publikums und seine Gage fürs Überleben in dieser Welt. Andere verspielen mit ihrer Dummheit ihr Ansehen und ihre Karriere. Erst vor Kurzem wurde ein Politiker bei einer Kontrolle erwischt, dass er 0,6 Gramm der Droge Crystal Meth bei sich hatte. Die Polizei hatte ihn ins Visier genommen, als er bei einem Drogenhändler, der unter Beobachtung stand, „einkaufte“. Dumm gelaufen: Ämter weg, Ansehen weg!
Ein Parteikollege dieses Abgeordneten zeigte sich in einem Video-Gespräch auf seiner Dachterrasse. Und um seiner Parteifarbe gerecht zu werden, sah man hinter ihm Grünpflanzen stehen und dann gab es Gelächter oder ein Aufschrei – oder beides. Die Grünpflanze entpuppte sich als eine „edle“ Hanfpflanze. Dumm gelaufen! Nun stellen Sie sich bitte vor, alle 630 Bundestagsabgeordneten wären drogenabhängig?! Ein Horror! Nur eine Horrorvision! Gott sei Dank!
Jetzt habe ich schon zwei Seiten mit und über „Dummheit“ beschrieben/geschrieben und da Dummheit jeden erwischen kann und vor keinem Teil des gesellschaftlichen Lebens Halt macht, wäre dieses Thema unerschöpflich. Und wehe, einer fühlt sich erhaben über die Dummheit, dann … “Hochmut kommt vor dem Fall.“ Unser deutsches Sprichwortreservoir hat für alle Lebenslagen, für alle Gemütszustände, für alle Vorfälle garantiert eine Redewendung parat.