Geschichten vom Weihnachtsmann
5. Die besondere Weihnachtsmanngeschichte
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von Joachim Größer (2019)
„O je!“, stöhnte der Weihnachtsmann, „o je!“ Er legte das himmlische Journal zur Seite und seufzt laut: „Wie kann man nur so die Wahrheit verfälschen?! Da freut man sich schon Wochen vor dem Erscheinen des ‘Himmelsboten’ auf neueste Nachrichten und dann? Nein, nein, so geht das nicht! Ich werde die Redaktion aufsuchen und um Aufklärung bitten! Nein, nicht bitten - ich werde sie verlangen!“
Der Alte schlurfte zu seinem Esel, der in einem Stall neben dem Haus stand. „He Grautier, heut gehen wir auf Reisen!“, rief der Weihnachtsmann dem Esel zu. Und der verließ seine Box und trabte gelassen zu seinem Herrn. „Heut mein Guter, heut geht’s zur Märchenfee. Ich muss unbedingt etwas Wichtiges klären. Also los!“
Ganz in Gedanken an die bevorstehende Auseinandersetzung mit der Märchenfee, griff der Alte nach dem roten Mantel und der roten Zipfelmütze, und so bekleidet, setzte er sich auf sein Grautier. „Also los, mein Guter!“ Doch sein „Guter“ stand und bewegte sich nicht. Der Weihnachtsmann konnte rufen, bitten, jammern, streicheln - es half alles nichts. Selbst als der Weihnachtsmann wütend „Du störrischer Esel! Du machst deiner Sippe alle Ehre!“ schimpfte, bewegte der Esel nur seine langen Ohren. Der Alte stieg von seinem Grautier und stellte sich neben ihn. „Nun sag, mein Grautier, warum bist du heute so störrisch?“ Und leise fügte er hinzu: „Störrisch wie ein Esel!“
Und sein Esel reagierte, indem er am roten Mantel zupfte, als wollte er ihn dem Weihnachtsmanne ausziehen.
„Ach, ich alter Esel!“, lachte jetzt der Alte. „Hab doch den falschen Mantel an! Weihnachten ist doch erst in acht Wochen!“ Und er streichelte den Esel und dankte dem Esel, indem der eine besonders saftige rote Möhre erhielt. Der Weihnachtsmann wechselte jetzt die Garderobe. Statt roten Mantel und roter Mütze trug er jetzt Mantel und Mütze, die die Farben des Herbstes hatten. Und kaum saß der Alte auf seinem Esel, als der auch schon, so schnell wie der stärkste Herbststurm nur blasen konnte, davon trabte.
Da der Tag noch jung war, inspizierte der Weihnachtsmann noch die Werkstätten. Zuerst sah er in die Hallen, wo fleißige Kobolde traditionelles Spielzeug herstellten. In der nächsten Halle surrte und summte es. „Aha“, flüsterte der Alte, „Autos, die alleine fahren können!“ Lange hielt er sich hier nicht auf. In der nächsten Halle fragte er nur den Oberkobold: „Läuft alles nach Plan?“ Und der Oberkobold antwortete: „Weihnachtsmann, wir müssen unbedingt diese Produktionskette erweitern. Alle Kinder wollen Computerspiele, schnelle Computer oder Spielkonsolen. Ich brauche auch mehr gut geschulte Helfer!“
„Sag deine Wünsche dem Weihnachtsbüro. Die sollen sich drum kümmern!“ Und weg war er, der Weihnachtsmann.
Das nächste Gebäude war das Schloss, indem die Märchenfee wohnte und arbeitete.
„Ho, ho, ho!“, rief der Weihnachtsmann und das große schmiedeeiserne Tor öffnete sich mit leisem Glockenklang. Der Esel trabte auf einem schnurgeraden Weg entlang. Der Garten rechts und links des Weges zeigte mit seinen Blumen und Farben die vier Jahreszeiten. Das Schloss der Märchenfee war mit den Farben des Spätherbstes geschmückt. Auch wallten weiße Nebel um die obersten Stockwerke und hüllten die Schornsteine völlig in scheinbar weiße, weiche Watte. Mühsam stieg der Weihnachtsmann von seinem Esel. Er zog eine große Mohrrübe aus seiner Manteltasche, hielt sie dem Esel vors Maul und brabbelte: „Geh, mein Grauer, geh in den Garten und vergnüg dich.“
„Keinen Schritt in meinen Garten!“ In der Eingangshalle stand die Märchenfee mit zornigem Gesicht. „Keiner betritt meinen Garten!“
Und mit einer Handbewegung zeigte sie dem Esel an, wo er stehen durfte. „Wenn er nur ein Blättchen von meinen Blumen und Kräutern frisst, dann ...“, die Märchenfee machte eine lange Pause , „dann nehme ich ihm die Zauberkraft! Dann hast du nur noch einen normalen dummen, störrischen Esel!“
„Mein Esel ist weder störrisch noch dumm! Und seine Zauberkraft hat er von mir und nicht von einer Märchenfee, die die Wahrheiten verdreht!“
„Was, ich verdrehe Wahrheiten? Ich, die Märchenfee? Nie und nimmer! Wieso stellst du solch böse Behauptungen auf, Weihnachtsmann? Das passt doch gar nicht zu dir! Was ist los, Alter?“
Und die Märchenfee schaute jetzt so gütig und freundlich, dass der Weihnachtsmann leise sagte: „Wir müssen reden, liebe Märchenfee!“
Und der Alte folgte der Märchenfee ins Feenschloss. Jedes Mal, wenn der Weihnachtsmann das Feenschloss betrat, war er beeindruckt von der Schönheit dieses Gebäude. Hinzu kam, dass fleißige Helfer, geflügelte Feen, ihm alle Wünsche erfüllten. Dachte er „Ach, jetzt wäre ein warmer Tee angenehm!“, so reichte ihm eine zierliche Fee auch schon eine dampfende Tasse mit wohlriechendem Tee.
Kaum hatte der Alte seinen Tee geschlürft, da fragte die Märchenfee: „Warum so mürrisch, mein Freund?“
„Ach liebe Fee, im ‘Himmelsboten’ las ich deine Geschichte über mich, über den Weihnachtsmann.“
„Ja, das ist richtig. Hat sie dir nicht gefallen?“
„Gefallen? Ja ..., aber ... “ Der Weihnachtsmann wiegte bedächtig den Kopf hin und her. „Weißt, liebe Märchenfee, schön hast du über mich geschrieben. Aber warum fängt deine Geschichte mit ‘Es war einmal ...’ an. Das heißt doch, mich gibt es doch gar nicht mehr. Nur früher, in grauer Vorzeit gab’s den Weihnachtsmann? Nein, liebe Märchenfee, mich gibt es auch jetzt noch. Und das musst du schreiben. Was sollen denn sonst die Kinder denken? Wer soll ihnen denn dann die Geschenke bringen?“
„Das habe ich nicht bedacht“, erwiderte die Märchenfee. „Aber leider muss ich dir sagen, ich bin verpflichtet, alle meine Geschichten mit ‘Es war einmal’ beginnen zu lassen. Das steht sogar in meinem Arbeitsvertrag.“ Und die Märchenfee klatschte in die Hände und zwei zierliche geflügelte Elfen flogen mit einem großen Pergamentbogen zum Weihnachtsmann. Und so las der Alte, was dort geschrieben stand: „Alle Geschichten der Märchenfee beginnen mit ‘Es war einmal ...’!“
„Wer verlangt denn das von dir?“, fragte der Weihnachtsmann verwundert. Und die Märchenfee lächelte und schaute nach oben. Und der Weihnachtsmann blickte auch gen Himmel und murmelte: „Na so was?!“
„Du siehst, mein lieber Weihnachtsmann, ich kann über dich nur so schreiben - so, wie ich alle Märchen beginne., denn ich bin die Märchenfee.“
„Aber ich bin doch keine Märchenfigur. Ich bin ‘Ich’, ich bin der Weihnachtsmann! Ich bin wahr!“
Traurig sah der Alte jetzt aus. Und traurig schaute auch die Märchenfee zum Alten.
„Vielleicht könnte ein anderer über den Weihnachtsmann schreiben? Der beginnt keine Geschichte mit ‘Es war einmal ...’. Der kann schreiben wie er will. Frag deine Freunde, lieber Weihnachtsmann!“
Die Märchenfee klatschte jetzt vor Freude über ihren Einfall in die Hände. „Genau, das ist es, mein lieber Weihnachtsmann! Im Himmelsboten erschien ja nur ein vorläufiger Abdruck meines neuen Märchenbuches. Wenn jetzt ein Freund über den Weihnachtsmann eine Geschichte schreibt, dann könnte ich diese Geschichte in das neue Märchenbuch aufnehmen. Frag deine Freunde, mein lieber Weihnachtsmann!“
Und der Alte kraulte sich den Bart, dann zupfte er an ihm und dann erhellte ein strahlendes Leuchten sein altes Gesicht.
„Ein guter Rat, liebe Fee! Ein sehr guter Rat!“ Der Weihnachtsmann rieb sich vor Freude die Hände. „Märchenfee, ich müsst mal die himmlische Leitung benutzen. Darf ich?“
Und ohne die Antwort der Märchenfee abzuwarten, griff der Alte zu einem großen Telefonhörer.
„Eine Verbindung nach Lappland! Ich möchte den Joulupukki sprechen! Dringend!“
Es summte und knackte im Telefonhörer mächtig gewaltig. Dann hörte der Weihnachtsmann ein leises Stimmchen. „Ich verstehe nichts!“, schrie der Alte ins Telefon.
Die Märchenfee ging zum Weihnachtsmann. Auch sie legte ihr Ohr an den Telefonhörer. Die zarte, leise Stimme wisperte jetzt. Und wieder schimpfte der Weihnachtsmann, dass er nichts verstehe.
„Weihnachtsmann, nicht schimpfen, ich verstehe doch die Feensprache. Die Fee sagt, dass der Weihnachtsmann Joulupukki zur Erholungskur geschickt wurde. Arbeitsüberlastung!“
„Dann muss mir Santa Claus helfen!“ Und sofort schrie er ins Telefon: „Bitte eine schnelle Verbindung nach Amerika. Ich will Santa Claus sprechen!“
Und wieder summte und knackte es im Telefonhörer. Jetzt hörte der Weihnachtsmann eine klare, deutliche Stimme: „Das Büro des Santa Claus! Was für einen Wunsch sollen wir erfüllen?“
„Hier ist der deutsche Weihnachtsmann! Ich möchte meinen Freund, den Santa Claus sprechen!“
„Ach, der deutsche Nikolaus“, hörte jetzt der Alte, „leider ist der Santa Claus nicht erreichbar. Er ist auf Geschäftsreise und frühestens in zwei Wochen zu sprechen.“
„Ja, wo ist er denn?“, fragte der Weihnachtsmann neugierig und verwundert.
„Er inspiziert die Werkstätten! Es gab Unregelmäßigkeiten, Weihnachten war in Gefahr!“
Der Alte bedankte sich und zur Märchenfee sprach er: „Dem Santa Claus wünsche ich viel Erfolg! Weihnachten in Gefahr! Das ist eine Beinahe-Katastrophe! Schlimm, sehr schlimm! Jetzt bleibt nur noch mein alter Freund der Deduschka Moros, Väterchen Frost, der russische Weihnachtsmann. Aber den brauche ich gar nicht erst anrufen, der ist garantiert im fernen Sibirien und genießt dort den ersten Schnee.“
„Jetzt im Oktober?“, fragte die Märchenfee.
„Ja, der Deduschka Moros liebt Kälte und Schnee! Sinnlos, ihn anzurufen,“
„Ach Weihnachtsmann, ein Versuch lohnt sich vielleicht!“ Und als die Märchenfee das traurige Gesicht des Alten sah, fügte sie hinzu: „Bestimmt kann er helfen! Ruf ihn nur an!“
Und da der Weihnachtsmann zögerte, griff die Märchenfee zum Telefonhörer und sprach: „Hier spricht die Märchenfee! Ich möchte den Deduschka Moros sprechen! Sehr dringend!“
Eine Stimme antwortete: „Väterchen Frost weilt in Sibirien.“
„Siehst du, liebe Märchenfee! Ich kenne doch das Väterchen!“
Plötzlich fasste sich der Weihnachtsmann an den Kopf: „Verflixt! Märchenfee, du hast die Direktnummer gewählt. Die ignoriert der Deduschka Moros gewöhnlich. Wir müssen die Poststelle in Weliki Ustjug anrufen! Die ist Tag und Nacht besetzt!“
Und schon verlangte der Alte eine Verbindung ins ferne Russland zur Poststelle in Weliki Ustjug.
Deutlich hörten der Weihnachtsmann und die Märchenfee eine klare, freundliche Kinderstimme: „Snegurotschka am Telefonapparat, Sie wünschen?“
„Snegurotschka, Snegurotschka, mein Schneeflöckchen! Hier ist der deutsche Weihnachtsmann, der Nikolaus. Ich muss ganz dringend deinen Großvater sprechen!“
„Oh, der Onkel Nikolaus! Leider ist das Großväterchen in Sibirien und für niemanden zu erreichen! Auch nicht für mich!“ Im Hörer knackte und kratzte es, dann war es ganz leise. „Das war mein letzter Versuch, liebe Märchenfee. Jetzt kann keiner mehr eine Geschichte über den deutschen Weihnachtsmann schreiben! Keiner!“
Betrübt sah der Alte aus. Die Märchenfee wollte ihn trösten, als plötzlich die Stimme der Snegurotschka ertönte. „Aber Onkel Nikolaus, an mich hast du wohl gar nicht gedacht. Ich liebe Geschichten, und ich habe mich auch schon im Schreiben versucht. Meine Geschichten lesen viele Kinder im großen Russland! Wie kann ich dir helfen, liebes Onkelchen?!“
Aber nicht der Alte antwortete dem Schneeflöckchen, es war die Märchenfee. Sie erzählte lang und breit, welches Problem der Nikolaus mit sich herumschleppt. „Ach“, rief jetzt Snegurotschka, „wenn das alles ist. Liebe Märchenfee, reiche dem Onkelchen eine Tasse mit Lindenblütentee. Die mag er am liebsten und süße den Tee mit 10 Tropfen vom besten Honig. 10 Tropfen müssen es sein, liebes Tantchen! Nicht mehr und nicht weniger! Ich bin gleich bei euch!“
Und der Nikolaus schlürfte genießerisch eine dampfende Tasse mit süßem Lindenblütentee. „Ich überlege, liebe Märchenfee, wie die kleine Snegurotschka so schnell zu uns kommen will. Sonst sitzt sie doch immer im Schlitten ihres Großvaters? Wie mag sie das anstellen?“
Der Alte reichte die leere Tasse einer kleinen Fee. In diesem Moment erklang ein liebliches Glockengeläut, Zeichen für einen ankommenden Gast. Doch so sehr sich die Märchenfee und der Weihnachtsmann anstrengten, einen Gast sahen sie nicht. Die große Eingangstür blieb verschlossen.
„Das ist ja komisch?, murmelte die Märchenfee. „Noch nie hatten wir einen Fehlalarm.“
„Es ist kein Fehlalarm, Tante Fee. Ich habe den kürzesten Weg genommen. Das habe ich bei Santa Claus gelernt. Bin durch den Schornstein gekommen!“ Snegurotschka stand lächelnd vor der Märchenfee und dem Weihnachtsmann. Der staunte nur: „Sag, Schneeflöckchen, hast du den großen Schlitten, die Troika genommen?“
„Darf ich doch nicht, Onkelchen Nikolaus. „Ich heiße doch Schneeflöckchen und als Schneeflöckchen bin ich gereist. Der Onkel Ostwind war mein Helfer und Beschützer.“
„Dann schneit es bei uns draußen?“, fragte die Märchenfee.
„Aber nur vereinzelte Flocken. Aber eiskalt ist die Luft. Der Ostwind hatte seine Freude an dieser Reise. Meint er doch: ‘Die Menschen sagen jetzt, die Luft riecht nach Schnee! Und damit sie sich auf den Winter freuen, mische ich ein paar Schneeflöckchen in die eisig kalte Luft.’ Ja, so sprach das Onkelchen.“
Nachdem Snegurotschka ihren warmen Pelz abgelegt hatte, erhielt sie von den geflügelten Elfen einen heißen Tee mit Honig. Den hatte sie sich gewünscht. Schnell war die Tasse ausgetrunken und schon fragte die Kleine: „Onkel Nikolaus, wie kann ich helfen?“
„Snegurotschka, für das neue Märchenbuch fehlt eine Geschichte über den Weihnachtsmann. Die Geschichte darf aber nicht mit ‘Es war einmal ...!’ beginnen.“
„Oh, wenn es nichts Schwereres ist! Geschichten mag ich und ich schreibe doch selber. Nur ein Problem gibt es, ihr schreibt doch andere Buchstaben. Die aber beherrsche ich nicht.“
„Das ist kein Problem!“ Die Märchenfee klatschte in die Hände und vier Feen flogen mit einem Apparat zur Märchenfee.
„Schneeflöckchen, du sprichst hier hinein, das Gerät speichert deine Geschichte und ich kann sie dann mit unseren Buchstaben aufschreiben. Wollen wir?“
Und das Enkelchen vom Väterchen Frost, die kleine Snegurotschka erzählte eine gar wunderliche Geschichte über einen Wettkampf der vier Weihnachtsmänner.
„Wenn mein Großväterchen auf Reise geht, so darf ich oftmals mit. Er zeigt mir die große weite Welt und besucht dann auch immer seine Freunde. Und seine Freunde sind der deutsche Weihnachtsmann, der auch Nikolaus heißt, der amerikanische Santa Claus und der Weihnachtsmann aus Lappland. Er heißt Joulupukki und wohnt am Polarkreis. Und dieser Joulupukki hatte alle seine Weihnachtsmannfreunde eingeladen, den Abend bei ihm zu verbringen. Die vier Weihnachtsmänner tranken sehr viel heißen Punsch. Ich allerdings durfte am Glas meines Großväterchens nur riechen, meinte doch Väterchen Frost, tränke ich nur einen Schluck von diesem Gebräu, würde ich tot umfallen. Na ja, der Deduschka Moros übertreibt gerne. Und übertrieben hatte er auch, als er nach vier großen Punschgläsern verkündete: ‘Meine himmlische Troika ist das schnellste Himmelsgefährt. Kein Rentierschlitten und kein Esel ist schneller unterwegs als meine drei herrlichen Rösser.’ So prahlte mein Großväterchen. Die anderen Weihnachtsmänner winkten nur ab. ‘Lass deine Rösser im Stall, Deduschka Moros. Jetzt feiern wir unser Wiedersehen!’, so sprach Santa Claus. Und der Joulupukki und der Nikolaus nickten bejahend.
‘Also seid ihr auch der Meinung, dass meine Troika das schnellste Himmelsgefährt ist!?, fragte das Großväterchen.
‘Nein, dieser Meinung bin ich nicht!’, erwiderte Santa Claus. ‘Meine Rentiere Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Donner und Blitzen kann keine Troika und kein Esel einholen. Vielleicht sind die Rentiere des Joulupukki noch fast so schnell.’ Santa Claus kratzte sich am Hinterkopf. ‘Aber, wenn ich das recht bedenke, schneller sind sie auf keinen Fall, sie sind langsamer! Garantiert!’
‘Meine Rentiere langsam? Santa Claus, du kennst meine Tierchen nicht. Sie sind doppelt so schnell wie der Wintersturm. Ach was, doppelt? Dreimal so schnell! So schnell sind meine Tierchen!’ Und energisch nickte der Joulupukki zur Bestätigung.
Nur der Nikolaus beteiligte sich nicht an diesem Gespräch. Er trank seinen heißen Punsch und hörte lächelnd dem Gespräch seiner Freunde zu. Dann wurde er von meinem Großväterchen angesprochen. ‘Nun sag, Nikolaus, sag deine Meinung zu unseren himmlischen Tieren. Welche ziehen das schnellste Himmelsgefährt?’
‘Eure Tiere ziehen einen Schlitten, aber mein Esel trabt euch allen davon. Ich weiß es!’ Der Nikolaus lächelte. ‘Ich weiß es!’
‘Kein Esel ist schneller als meine Rösser!’, rief der Deduschka Moros. Und Santa Claus sagte sehr, sehr laut: ‘Rentiere sind schneller als alle Esel dieser Welt!’
‘Jawohl!’ rief Joulupukki, ’schneller als alle Esel eines Nikolaus!’
‘Gut’, erwiderte jetzt der Nikolaus, ‘wir veranstalten ein Rennen! Die Fahrt geht zum Nordpol und zurück. Wer gewinnt, hat einen Wunsch frei! Nehmt ihr diese Bedingungen an?’
‘Nehmen wir an!’, schrie jetzt Santa Claus.
‘Wir brauchen einen Schiedsrichter!’, meinte jetzt Joulupukki. ‘Wer soll das sein?’
Ich, Snegurotschka, ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, und ich rief: ‘Ich bin der Schiedsrichter!’
Die vier Alten drehten sich zu mir um. Sie hatten mich vollständig vergessen. ‘Du?!’, meinte mein Großväterchen. Und dann sagte er noch: ‘Warum nicht? Meine kluge Enkelin ist der Schiedsrichter! Einverstanden?“ Und die Weihnachtsmänner nickten .
Als Schiedsrichter verkündete ich jetzt: ‘In einer halben Stunde nehmen alle Teilnehmer am Rennen an dieser Linie Aufstellung. Das ist der nördliche Breitenkreis! Wenn ich in die Hände klatsche, beginnt der Wettkampf. Wer schummelt, fliegt aus dem Rennen. Die Kobolde überwachen die Strecke.’
Irgendwie hatte ich den Eindruck, den Weihnachtsmännern passte es nicht, dass der Wettkampf überwacht werden sollte. Ich hatte jetzt 30 Minuten Zeit, die blaue Linie in den Schnee zu zeichnen, die Kobolde in ihre Aufgaben einzuweisen und die Schlitten zu überprüfen. Nur beim Esel des Nikolaus musste ich überprüfen, ob die Körbe auch fest genug gezogen sind. Dann konnte der Wettkampf beginnen.
Vor Aufregung glühte mein Gesicht. Vier mächtige Weihnachtsmänner warteten darauf, dass die kleine Snegurotschka, das Schneeflöckchen, in die Hände klatscht. Und ich? Ich klatschte so laut, dass es wie ein Kanonenschuss widerhallte. Es war eine wilde Jagd. Mit ‘Ho! Ho!’ - Rufen feuerten mein Großväterchen, Santa Claus und Joulupukki ihre Tiere an. Nur der Nikolaus rief nichts. Er beugte sich nach vorn und flüsterte dem Esel in seine langen Ohren. Verstanden habe ich nichts davon. Nur dachte ich, wenn der Esel weiterhin so gemächlich dahin trabt, dann wird der Nikolaus garantiert Letzter.
Die Kobolde gaben mir immer per Himmelsfunk einen Zwischenbericht. Zuerst war der Joulupukki vorn, dicht auf vom Rentiergespann des Santa Claus. Dritter war die Troika meines Großväterchen und Bummelletzter war der Esel des Nikolaus. Vom Nordpol berichtete der Oberkobold: ‘Vorn mit großem Abstand jagt die Troika des Deduschka Moros an mir vorbei, an zweiter Stelle ist Santa Claus mit seinen Rentieren Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Donner und Blitzen. Der Weihnachtsmann aus Lappland ist dicht dahinter. Und da, es ist nicht zu glauben, jagt der Esel mit dem deutschen Weihnachtsmann wie ein Schneegestöber an mir vorbei. Noch nie habe ich einen Esel so schnell laufen gesehen! Ich glaube, ja, es ist so, der Esel überholt Joulupukki und jetzt auch das Rentiergespann des Santa Claus!’
Es war ein tolles Rennen! Der Kobold Puck stand an der 3. Station und von ihm gab es die sensationelle Meldung: ‘Deduschka Moros mit seiner Troika ist noch Erster! Der Esel mit dem Nikolaus attackiert Väterchen Frost! Der schwenkt seinen magischen Zepter und brüllt in das Schneegestöber sein ‘Ho! Ho!’ Doch was ist das? Der Nikolaus beugt sich auf dem Rücken seines Esels nach vorn. Jetzt ergreift er die langen Eselsohren und brüllt in die Ohren! Ja was ruft er da? Ich verstehe nur ‘Öhren! Öhren!’ Ist das der neue Gruß des deutschen Weihnachtsmannes? ‘Öhren!’ und nicht mehr ‘Ho! Ho!’ Es ist unglaublich. Der Esel erhöht seine Geschwindigkeit und ... Es ist fantastisch! Ja, der Esel hat die Troika des Deduschka Moros eingeholt. Ich suche jetzt die beiden Rentiergespanne. Die mächtige Schneewolke erschwert dem Santa Claus und dem Joulupukki die Aufholjagd. Beide Rentiergespanne fliegen gleichauf an mir vorbei. Was für ein gewaltiges Rennen! Was für ein Rennen!’
Und dann sah ich sie auch schon die Teilnehmer dieses großen Rennens. Ehrlich muss ich sagen, es war eine riesige Schneewolke, die da heran stürmte. Und nun musste ich als Unparteiische, als Schiedsrichterin meines Amtes walten. Den Ersten zu benennen war ganz einfach: Der Nikolaus hatte mit seinem Esel den Wettkampf mit mindestens 10 Meter Vorsprung gewonnen. Wer Zweiter, Dritter oder Letzter wurde, konnte ich nicht ermitteln. Sie waren gleichauf durchs Ziel geflogen. So rief ich den Weihnachtsmännern zu: ‘Der Nikolaus hat gesiegt! Sein Esel war der Schnellste!’
Damit war meine Schiedsrichteraufgabe beendet. Alle anerkannten, dass der Esel der Schnellste war. Verwundert fragte mein Väterchen Frost: ‘Nikolaus, wieso war dein Grautier so schnell? Schneller als meine starken Rösser?’
Und der Nikolaus erklärte lachend: ‘Ihr habt meinen Esel zum Sieger gemacht!’
‘Wie wir?’, fragte Santa Claus.
‘Na, ich habe meinem Esel in seine langen Ohren geflüstert: ‘Lauf, mein Grautier! Lauf! Wenn wir gewinnen, bekommst du von den Verlierern drei große Körbe mit herrlichen roten saftigen Möhren! Lauf, mein Guter!’“
Snegurotschka hatte ihre Geschichte beendet.
„Ich hab doch alles richtig berichtet, Onkel Nikolaus?“, fragte sie. Der Alte lächelte. „Ja, so hatte mein Esel dieses Rennen gewonnen. Für saftige rote Möhren tut er alles. Ein richtiger Genießer ist mein Grauer!“
Die Märchenfee schaltete den Apparat ab. „Wir haben die Geschichte gespeichert, Nikolaus. Du bist einverstanden, dass ich sie so, wie sie Snegurotschka erzählt hat, in mein Märchenbuch aufnehmen kann?“
„Ja, liebe Märchenfee, schreib sie so auf. Und je ein Buch schickst du an meine Freunde. Sie sollen nicht vergessen, wer das schnellste Himmelsgefährt sein Eigen nennt!“
Und der Nikolaus lachte so laut, dass das große Schloss der Märchenfee von diesem dröhnenden Lachen widerhallte.