Geschichten für Erwachsene: Von Liebe und Schmerz

Der Freischärler

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von Joachim Größer (2013)

 

Männer mit Gewehren in den Händen stürmten gegen Soldaten, die keine 100 m von ihnen entfernt, sie mit gut gezielten Salven immer wieder zum Rückzug zwangen. Nur eine kleine Schar der Freischärler war noch in der Lage zu kämpfen. Viele der Kameraden lagen tot oder schwer verwundet auf dem Schlachtfeld.

„Jetzt gilt es, Kameraden!“, schrie ihr Anführer. Er schwenkte das Fähnlein und seine Mitstreiter stimmten in sein Gebrüll ein: „Tod dem Tyrannen! Tod dem König!“

Sie stürmten vor und – erstarrten. Der Feind hatte eine Kanone in Stellung gebracht.

Ein gewaltiger Knall und mitten in die kleine Gruppe der Angreifer schlug die Kanonenkugel. Das Kampfgeschrei erstarb auf dem Schlachtfeld. Nur noch ein Mann stand den Soldaten gegenüber. Er griff an seinen linken Arm und sah das Blut. Er schaute sich um, und er sah seine gefallenen Kameraden. Er blickte zu den Soldaten – und er sah, wie sie losrannten, um ihn gefangen zu nehmen.

„Ihr kriegt mich nicht!“, schrie er den Soldaten seine Verachtung entgegen. „Ihr nicht!“ Und er rannte auf die Bergkuppe, dann hinunter ins Tal und am erstbesten Haus klopfte er an die Tür.

Eine junge Frau öffnete ihm. „Lasst mich ein, gute Frau! Die Häscher sind hinter mir her!“

Die Frau zog ihn an den Sachen über die Schwelle und knallte die Tür zu. Ohne ein Wort zu sagen, riss sie ihm die Kleider vom Leib, schob sie behänd unters Bett. Das Gewehr nahm den gleichen Weg. „Ins Bett!“, befahl die Frau leise.

Kaum, dass der Freischärler die Bettdecke übers Gesicht gezogen hatte, klopfte es hart an der Tür. „Aufmachen!“, schrie eine Stimme.

Die Frau ließ sich davon nicht einschüchtern, sondern legte das Kleid ab, und nur noch mit dem weißen, weiten Unterkleid ihre Blöße bedeckend, öffnete sie die Tür.

„Was gibt es!“, fauchte sie.

„Wir suchen einen Aufständischen!“, erwiderte der Anführer der kleinen Gruppe Soldaten.

„Bei mir doch nicht!“ Die gute Frau blickte so zornig, dass der Mann vor ihr es nicht wagte, ins Haus zu gehen.

„So, jetzt habt ihr genug geglotzt! Ich geh ins Bett!“ Sie schrie nach hinten: „Mann, mach Platz im Bett, ich bin müde!“ Und sie ließ das Unterkleid fallen und die Soldaten erblickten ein prachtvolles, wohlgeformtes Hinterteil. Ohne auf die Soldaten zu achten, ging sie zum Bett. Die Soldaten rissen zotige Witze und verließen lachend das Haus.

„Du bist ja ein Eisklumpen“, flüsterte die Frau und erwärmte mit ihrem Körper den Leib des Verletzten. „Bist du ein Studiosus?“, fragte die Frau.

„Nein, gute Frau, ich bin ein Handwerksbursch.“

„Welche Zunft?“

„Ein Schneidergeselle, gute Frau.“

„Ich bin die Witwe Frau Schneidermeisterin Klapp!“, rief die Witwe erfreut aus. „Und du heißt, Schneidergeselle?“

„Fritz, Frau Meisterin.“

Und die Witwe erwärmte den Gesellen mit ihrer Herzensglut und der merkte, wie der Schreck aus den Gliedern fuhr und sein Herz zu rasen begann. Lange konnte er der Versuchung nicht widerstehen, dann gab er dem Verlangen nach und sie umschlang ihren Schützling noch liebevoller.

Fritz verschoss sein Pulver. Da aber die Witwe im ehelichen Liebesspiel erfahren war, lud er sehr schnell wieder nach und schoss, und …

… glücklich schliefen beide ein. Und als am anderen Morgen der Geselle von dannen ziehen wollte, meinte die Witwe nur: „Nichts da, Geselle. Du bist verletzt. Kein guter Christenmensch lässt einen Kranken davonziehen.“

Zwar war die Wunde jetzt verheilt, doch da bemängelte die Witwe die Narbenbildung. Und so wurden aus Tagen Wochen. Und schon zeigte sich, dass der Geselle mit seinem Pulver gut getroffen hatte.

Immer öfters streichelte die Witwe ihr Bäuchlein. Dann nahm sie den Fritz an die Hand und sagte: „Jetzt geht’s zum Pfarrer!“

Der alte Pfarrer sah ihre Pein und fragte: „Wie lange weilt der gute Meister schon bei unserem Herrgott?“

„Drei Jahre, Herr Pfarrer“, antwortete die Witwe leicht errötend.

„Eine lange Zeit für ein gesundes Weib, Frau Meisterin. Noch heute mach ich den Aushang und nach Ablauf der Frist wird das Kind den Namen des Vaters tragen. Oder wollt ihr noch etwas mit der Hochzeit warten?“

„Nein, nein!“, riefen die Meisterin und der Geselle fast gleichzeitig.

„So soll es sein, meine Kinder. Nun gehet heim. Der Herrgott wird eure Taten segnen.“